SZ-Klimakolumne:Warten auf die Ampel

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Warten auf den Weihnachtsmann - und den politischen Aufbruch. (Foto: Dwi Anoraganingrum via www.imago-images.de/imago images/Future Image)

Die neue Regierung ist im Amt. Heißt das, es geht jetzt endlich los mit ambitioniertem Klima- und Artenschutz? Über die Schwierigkeit, vom Planen ins Machen zu kommen.

Von Vera Schroeder

"Ungeduld" ist nicht nur eine Eigenschaft, mit der fleißige Menschen in Bewerbungsgesprächen kokettieren, es ist auch ein Gefühl, das mir die Adventszeit schon als Kind verhagelt hat. Und auch wenn ich das Adventskranzkerzenzählen bis zur Bescherung heute etwas besser ertragen kann als früher: Als Zeit des Wartens haben es diese Tage 2021 durchaus auch für Erwachsene in sich. Warten auf ein Zeichen, ob die (eh schon sanften) Silvesterpläne klappen. Oder anders gesagt: Warten auf Omikron. Dazu das Warten auf die neue Regierung. Wann geht es denn jetzt endlich los? Und was geht dann eigentlich los? Steckt da wirklich der große Aufbruch drin, den dieses Land und diese Erde so dringend brauchen?

Immerhin: die Regierung ist nun im Amt, der Koalitionsvertrag ist draußen, den man auf entscheidende Klimaweichen abklopfen kann. Das hat zum Beispiel meine Kollegin Marlene Weiß in diesem Gespräch mit der Klimaökonomin und Generalsekretärin des Mercator-Klimaforschungsinstituts MCC Brigitte Knopf gemacht. Oder mein Kollege Michael Bauchmüller in diesem Interview mit dem Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung Ottmar Edenhofer.

Einig sind sich die meisten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass es vor allem schnell gehen muss. Nicht nur in der Theorie im Koalitionsvertrag, sondern tatsächlich in der Umsetzung. Denn die Zeit läuft, und die großen Dinge, die in allen Sektoren zu tun sind, um sich entschieden auf den Weg zur Null zu machen, sind doch allgemein bekannt.

Windräder und Solarparks müssen nicht mehr erfunden, sondern einfach gebaut werden

Insofern darf man sich schon fragen, ob ein Ausweichmanöver dahinter stecken könnte, wenn im Koalitionsvertrag deutlich mehr Geld Innovationen oder für die Erforschung von Meeren und Biodiversität versprochen wird - statt schlichtweg und in konkreten Projekten sofort loszulegen, um das Wenige an Vögeln, Schnecken, Krebsen, Korallen, Insekten oder Säugetieren zu retten, das noch zu retten ist. Die Biodiversitätskrise ist genauso wie der Klimawandel ziemlich gut erforscht. Wir wissen, wie es um die Natur steht, nämlich leider: sehr schlecht. Wir wissen auch beim Klimawandel ziemlich genau, was passieren wird - und was man tun kann, um das zu beeinflussen. Eine Mobilitätswende braucht ganz banal mehr Gleise und günstigere Bahnpreise akut viel dringender als mehr Forschung zum Hyperloop.

"Auch wenn es gegen meine eigenen Interessen geht: Grundsätzliche Klimaforschung brauchen wir nicht mehr", sagte auch der Klimaforscher Anders Levermann vor wenigen Tagen in einer Veranstaltung der SZ zum Thema "Klimaschutz in der neuen Bundesregierung - zwischen Anspruch und Wirklichkeit". Womit er natürlich nicht vorschlagen wollte, die Klimaforschung einzustellen, im Gegenteil. Es braucht selbstverständlich weiter exzellente Wissenschaft und Forschung, auch um den Prozess, der nun ansteht, bestmöglich zu begleiten. Aber die Politik darf sich mit dem vielen Gerede von Innovation und Forschung nicht davor drücken, das schnell umzusetzen, was sonnenklar da liegt. Auch das Windrad und die Photovoltaik müssen nicht mehr erfunden werden, es müssen nur einfach viel mehr Windräder und Solaranlagen gebaut werden.

Manchmal wünsche ich mir die Leichtigkeit zurück, die darin steckt, nur ungeduldig wegen 14 Tagen bis Weihnachten zu sein. Aber gegen diese nostalgische Kindheitsverzerrung hilft ein einfacher Trick: Ich stelle mir dann Weihnachten in 14 Jahren vor. Als grundsätzliche Optimistin erfüllt mich die Tatsache, dass ich absolut keine Ahnung habe, wo wir dann stehen werden, mit einem anderen, einem angenehmen Weihnachtsgefühl: Vorfreude.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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