Umwelt:Wie hessische Städte sich auf die Klimakrise vorbereiten

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Mit neuen Grünflächen und Bäumen präsentiert sich der Paul-Arnsberg-Platz im Frankfurter Stadtteil Ostend nach der klimafreundlichen Umgestaltung. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Der Umweltdezernent von Kassel bringt es auf den Punkt: Es ist eine Mammutaufgabe. Städte lassen sich nicht von heute auf morgen umbauen. Auf den Klimawandel reagieren müssen sie trotzdem.

Von Alina Grünky (Text) und Arne Dedert (Foto), dpa

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Tagelange Hitze, trockene Bäume, dann plötzlicher Starkregen, abgebrochene Äste und vollgelaufene Keller: Wetterextreme stellen Städte vor die Frage, wie Menschen und Infrastruktur vor den Folgen der Klimakrise geschützt werden können. Die Kommunen in Hessen müssen mit Klimaanpassungen gegensteuern. Vielerorts werden Pläne und Konzepte erstellt, aber konkrete Umsetzungen gibt es erst wenige.

Ein Beispiel: Die Stadt Frankfurt hat einen ersten Platz umgestaltet. Zugunsten von mehr Grün wurde seit September letzten Jahres fast die Hälfte des Paul-Arnsberg-Platzes im Frankfurter Ostend entsiegelt. „Es wurden große Baumgruben angelegt, welche den 30 neuen, klimagerechten Bäumen auch in langanhaltenden Trockenzeiten ausreichend Wasserreservoirs bieten“, erklärte das Umweltdezernat. Die Entsiegelung soll als Modellprojekt dienen. Weitere Plätze sollen folgen.

Zudem stellte die Stadt Frankfurt kürzlich einen Klimawandelaktionsplan vor. Derzeit seien 34 Maßnahmen im Plan verankert, sagte der Leiter des Klimareferats der Stadt Frankfurt, Hans-Georg Dannert. Dazu gehören unter anderem mehr Waldschneisen, um der Feuerwehr den Zugang bei Waldbränden zu erleichtern, oder erhöhte Bordsteine, um Überschwemmungen entgegenzuwirken.

Darmstadt hat bereits im Herbst 2022 einen Klimaschutzplan beschlossen, der Zeithorizont ist 2035, insgesamt sind 50 Maßnahmen geplant. Als konkrete Beispiele nennt ein Stadtsprecher den „Klimavorbehalt“ für den Hochbau: Alle Bauvorhaben müssen demnach auf ihre Auswirkungen auf das Stadtklima und die Treibhausgas-Bilanz geprüft werden.

Die Darmstädter Lincoln-Siedlung sei im „Schwammstadtprinzip“ entwickelt worden: 100 Prozent des Regenwassers würden zurückgehalten, verdunsten und versickern und gelangten nicht mehr in die Kanalisation. Zur „Schwammstadt“ gehören auch Beete, Dach- und Fassadenbegrünungen sowie Grünflächen. Die Maßnahmen sollen Darmstadt resilienter gegenüber Starkregen, Hitze und Trockenheit machen. Begrünungs- und Entsiegelungsmaßnahmen auf privaten Grundstücken werden bezuschusst.

Auch Wiesbaden hat nach Angaben eines Sprechers erste Klimaanpassungsmaßnahmen umgesetzt, weitere seien in Planung. Ein übergreifendes Konzept sei in Arbeit. „In den kommenden zwei Jahren soll ein gesamtstädtisches Klimaanpassungskonzept für den planerischen Umgang mit zunehmenden Hitzebelastungen, Trockenperioden und Starkregenereignissen erstellt werden“, teilte die Stadt mit.

Beispiele für konkrete Maßnahmen: Der Stadtteil Alt-Biebrich soll zum „Klimaschutz-Quartier“ werden. In dem von denkmalgeschützten Altbauten geprägten Stadtteil sollen „modellhafte Lösungsansätze im Bereich Energieeffizienz und Gebäudesanierung“ entwickelt werden. Ein Solarkataster informiert die Bürger, welches Dach für Solarwärme und Solarstrom geeignet ist. Nach einer Simulation wurde eine Starkregengefahrenkarte erstellt.

Der Kasseler Umweltdezernent hat die Herausforderungen ebenfalls im Blick: „Wir haben bereits vor einigen Jahren begonnen, Konzepte für Klimaschutz und Klimaanpassung zu entwickeln“, sagte Christof Nolda (Grüne). Mittlerweile seien sowohl die Verminderung der Emissionen als auch die bauliche Umgestaltung angesichts zunehmender Extremwettereignisse explizite Planungsziele. „Ihr Stellenwert nimmt bei Abwägungsentscheidungen immer weiter zu.“

Gleichzeitig sei es eine Mammutaufgabe, die über Jahrzehnte bis Jahrhunderte gebaute Stadt so übergreifend anzupassen. „Für diese Aufgabe werden wir erheblich zusätzliches Geld und Personal benötigen. Das führt uns tagtäglich vor Augen, wie essenziell und vergleichsweise günstig es ist beziehungsweise wäre, umfassenden Klimaschutz jetzt zu betreiben, anstatt massive Schäden infolge der Klimaerhitzung reparieren zu müssen“, erläuterte Nolda.

In den vergangenen Jahren hat die Stadt nach Angaben einer Sprecherin bereits verschiedene städtebauliche Entwicklungskonzepte auf den Weg gebracht, etwa Hochwasserschutz durch die Renaturierung von Bachläufen, Fassaden- und Dachbegrünung, sowie auch die Entsiegelung von versiegelten Flächen. „Kassel ist bereits die zweitgrünste Stadt Deutschlands“, erläuterte die Sprecherin. Derzeit wird eine neue Zisterne gebaut, dank der Pflanzenbewässerung und Kanalreinigung von Trinkwasser auf Fuldawasser umgestellt werden sollen.

Um Kommunen zu unterstützen hat das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) einen Praxisleitfaden „Klimaschutz in Kommunen“ erarbeitet. Eine Website vermittelt Know-how für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen.

Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach hat das Thema auf dem Schirm. Es gebe einen verstärkten Bedarf der Kommunen, die Herausforderung Klimawandel zu bewältigen, sagte die designierte Präsidentin des DWD, Sarah Jones, der dpa. „Um den Klimawandel in Städten besser zu erfassen, brauchen wir auch Informationen auf einer kleineren Skala als bei herkömmlichen Beobachtungen.“ Daher hat der DWD im bayerischen Regensburg kürzlich eine Station zur Beobachtung des Stadtklimas eingerichtet.

© dpa-infocom, dpa:230730-99-605811/2

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