Mit dem stacheligen Panzer und den dicken Scheren, die leicht einen Finger abzwicken können, sehen Königskrabben ziemlich gefährlich aus. Und im norwegischen Fernsehen sind in diesen Tagen ganze Legionen der Monster zu sehen. Mit ihren fast meterlangen Beinen krabbeln sie über den Grund der Barentssee und fressen dabei, was ihnen in den Weg kommt. Nun haben Umweltschützer den Riesenkrabben den Kampf angesagt. In einer massiven Kampagne fordern sie derzeit von Norwegens Regierung nicht weniger, als das restlose Leerfischen der Bestände.
Vor einigen Tagen kippte eine Gruppe von Aktivisten aus Protest gegen die Invasion 2000 Krabben lebend vor das Fischereiministerium in Oslo. Auch der seriöse WWF fordert lautstark den Tod der Tiere. "Dass die Königskrabbe sich weiter an unseren Küsten ausbreiten darf, ist ein Umweltverbrechen der Regierung", schimpft Nina Jensen, Meeresbiologin der Organisation.
Paralithodes camtschaticus - die Königs- beziehungsweise Kamtschatkakrabbe - ist der wissenschaftliche Name des Hassobjekts, das eigentlich zwischen Sibirien und Alaska zu Hause ist. Die Norweger sagen manchmal Stalin-Krabbe, wegen der Zerstörungskraft der Tiere und weil es sowjetische Forscher waren, die in den sechziger Jahren die ersten Exemplare vor Murmansk ansiedelten, also nicht weit von der norwegischen Grenze entfernt. Einer Legende nach waren die langen Krabbenbeine Leibspeise einiger Sowjet-Generäle. Sie wollten darum einen frischen Vorrat in der Barentssee haben, die viel näher bei Moskau liegt, als das fernöstliche Herkunftsgebiet. Den Tieren gefiel es dort. Sie verbreiteten sich rasch und 1977 wurde die erste Königskrabbe vor der norwegischen Küste gefangen.
Russen und Norweger hießen die neuen Meeresbewohner zunächst als Beute für die heimische Fischerei willkommen und einigten sich auf eine Schonzeit, damit die Kolonie in Ruhe wachsen konnte. Ein schwerer Fehler, meint WWF-Mitarbeiterin Jensen. Sie verweist auf die UN-Konvention für biologische Vielfalt, der zufolge man eingewanderte Arten bekämpfen muss, wenn sie Schaden anrichten. Neue Ergebnisse des Meeresforschungsinstituts Bergen zeigen, dass wegen der Krabbeninvasion in manchen Fjorden Nordnorwegens neun von zehn Tier- und Pflanzenarten verschwunden sind.
Doch die Eroberer haben auch Freunde. Bei Touristen etwa sind Krabbensafaris beliebt. Und einige Unternehmen verdienen gut an dem weißen Fleisch der Scherenmonster. Andere haben dagegen Angst, die Eindringlinge könnten jene Fischarten verdrängen, von denen man seit Generationen gelebt hat. Und die Regierung in Oslo will es allen recht machen. Im Verwaltungsplan für die Krabben heißt es, man wolle die Tiere "langfristig nutzen, aber auch ihren Vormarsch stoppen". Gegen diese Strategie richtet sich nun die Kritik. Das Meeresforschungsinstitut Bergen erklärte: "Es ist schwierig, beide Ziele gleichzeitig zu erreichen." Die Politik müsse sich entscheiden.