Ig-Nobelpreise:Was kann ein Klo über einen Menschen erfahren?

Lesezeit: 3 min

Seung-min Park, Ig-Nobelpreisträger für Gesundheit, posiert auf der sogenannten Stanford-Toilette. (Foto: Ig Nobel; Seung-Min Park; Stanford/dpa)

Wie viele Nasenhaare hat der Mensch? Was lässt sich mit toten Spinnen anstellen? Und warum lecken Geologen so gerne an Steinen? In Cambridge an der Ostküste der USA wurde erneut abseitige Forschung prämiert.

Von Susanne Herresthal

Ein Boot schwankt vor einem Greenscreen hin und her. Möwen sind im Hintergrund zu hören. "Willkommen, willkommen", ruft eine Frau in roter Richterrobe, bevor sie sich hinter ihrem Buch versteckt. Dann eine zweite Begrüßungsrede, in der Intellektuelle, Pseudointellektuelle und Quasi-Pseudointellektuelle enthusiastisch begrüßt werden, bevor der Zeremonienmeister eingeführt wird: Marc Abrahams, der Herausgeber der Zeitschrift Annals of Improbable Research an der Harvard-Universität im US-amerikanischen Cambridge, der mit großem schwarzen Zylinder, Sonnenbrille und Sakko zwischen vier anderen auf dem Boot wippt.

Bereits zum 33. Mal hat die Zeitschrift in der Nacht auf Freitag die Ig-Nobelpreise verliehen - in diesem Jahr fand die Verleihung ein weiteres Mal nur digital statt. Vor der Pandemie war für die Zeremonie stehts das ehrwürdige Sanders Theatre der Harvard-Universität reserviert worden. Geehrt werden mit dem Preis kuriose Forschungsarbeiten, die Menschen "erst zum Lachen, dann zum Denken" bringen sollen. Der Name ist ein Wortspiel; das englische Wort ignoble bedeutet so viel wie "unwürdig" oder "unehrenhaft". Unehrenhaft sind die gewürdigten Forschungen zwar nicht, dafür sehr speziell. Überreicht werden die Preise üblicherweise von echten Nobelpreisträgern.

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In diesem Jahr unter anderem von Rich Roberts, der 1993 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin gewonnen hat, für eine Arbeit über den Aufbau von Erbanlagen. Für die Zeremonie hatte er sich eine schwarze Mütze aufgesetzt, an deren Zacken Augäpfel hingen. Er überreichte den Preis für Chemie und Geologie an den emeritierten Geologen Jan Zalasiewicz von der University of Leicester, der sich mit der Frage beschäftigt hatte, warum Geologen so gerne an Steinen lecken. Die Antwort ist dabei wenig spektakulär: Eigenschaften von Steinen sind leichter zu beobachten, wenn sie feucht sind. Auch konnten Wissenschaftler früher, als es weder Mikroskope noch andere technisch ausgefeilte Hilfsmittel gab, Steine am Geschmack identifizieren.

Der Literaturpreis ging dieses Jahr an Chris Moulin und Akira O'Connor, die mit ihrem Team untersuchten, warum Wörter komisch und fremd erscheinen, wenn man sie oft hintereinander wiederholt. Ein Phänomen, dass sie auch als "jamais vu" bezeichneten. Ebenfalls ausgezeichnet wurde eine Studie zu der Frage, ob alle Menschen dieselbe Anzahl an Nasenhaaren besitzen. Um dies zu klären, zählten Christine Pham und Natasha Mesinkovska die Nasenhaare von 20 Leichen. Sie fanden heraus, dass die durchschnittliche Anzahl von Nasenhaaren pro Nasenloch zwischen 120 und 122,2 liegt.

Insgesamt wurden Preise in acht Kategorien verliehen

Der Science-Fiction schon sehr nahe, gewannen Te Faye Yap und Daniel Preston den Ingenieurpreis für die Nutzung toter Spinnen als mechanische Greifwerkzeuge. Sie selbst bezeichnen diese Art der Robotik, die bereits vorhandene biotische Materialien als Roboterkomponente einsetzt, als Nekrobotik. Da die Beine der Spinne mittels hydraulischen Drucks arbeiten, konnte die Greiffunktion nach dem Tod der Spinne genutzt werden, indem durch eine Nadel Druck auf das biologische hydraulische System gegeben wurde. Diese Methode sei, so schreiben Yap und Preston in ihrer Studie, nachhaltig und könnte dazu beitragen, technologischen Abfall zu verringern. Eine tote Spinne ist schließlich biologisch abbaubar.

Insgesamt wurden Preise in acht Kategorien verliehen. Forscher und Forscherinnen aus China, Kanada, Großbritannien, den Niederlanden, Irland, den USA und Japan erhielten einen Preis in der Kategorie "Bildung" für ihre methodische Untersuchung der Langeweile bei Lehrern und Schülern. Unter anderem sei es wahrscheinlicher, dass Schüler im Unterricht gelangweilt seien, wenn sie das schon im Vorfeld erwarteten, sagte das Forscherteam in seiner Dankesrede. Außerdem seien Schüler mit einer höheren Wahrscheinlichkeit im Unterricht gelangweilt, wenn sie den Eindruck hätten, dass der Lehrer oder die Lehrerin gelangweilt sei.

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Forscher aus den USA erhielten einen Preis für Experimente auf den Straßen einer Stadt, bei denen sie herausfinden wollten, wie viele Passanten anhalten und nach oben schauen, wenn sie fremde Menschen nach oben schauen sehen.

Ein südkoreanisch-amerikanischer Forscher erfand die sogenannte Stanford-Toilette - ein Klo, das mittels verschiedener Hilfsmittel die von Menschen ausgeschiedenen Substanzen analysiert. "Verschwendet eure Ausscheidungen nicht", sagte Forscher Seung-min Park bei seiner kurzen Dankesrede zur Preisvergabe. Außerdem ging ein Preis an Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Spanien, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien für die Erforschung der Frage, inwiefern sich die sexuelle Aktivität von Sardellen im Meereswasser niederschlägt.

Ein Team von Forschern und Forscherinnen aus Argentinien, Spanien, Kolumbien, Chile, China und den USA wurde geehrt für die Erforschung der Gehirnaktivität von Menschen, die Experten im Rückwärtssprechen sind. "Danke für diesen spaßigen Preis, wir freuen uns, ihn anzunehmen", sagten die Wissenschaftlerin María José Torres-Prioris und ihr Kollege Adolfo García - vorwärts und rückwärts.

Vor der Corona-Pandemie war die Gala - an der auch echte Nobelpreisträger teilnehmen, darunter in diesem Jahr der deutsche Physiker Wolfgang Ketterle - alljährlich von mehr als 1000 Zuschauern live im Sanders Theatre verfolgt worden. Aber auch bei der rund anderthalbstündigen Online-Preisverleihung, die diesmal unter dem Oberthema "Wasser" stand, flogen Papierflieger, gab es Sketche, bizarre Kurz-Musikstücke und noch viel mehr skurrilen Klamauk - beendet von den traditionellen Abschlussworten des Moderators Marc Abrahams: "Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben, und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!"

Mit Material von dpa

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