Guerilla-Gärtner:Die botanischen Brigaden

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Die Vereinigung der Guerilla-Gärtner bepflanzt in mehr als 40 Ländern illegal städtische Flächen. Manche Ökologen sehen das skeptisch.

Berit Uhlmann

"Pflanzen bilden den Kern unseres Waffenarsenals, sie ersetzen Bomben und Munition. Dabei sind sie raffinierter als jede Massenvernichtungswaffe, denn unter den richtigen Bedingungen explodiert ihre DNS förmlich zu Leben."

Der Brite Richard Reynolds ist Autor der Kampfschrift "Guerilla-Gärtnern, ein botanisches Manifest". Damit die Stadt Essen grüner wird, pflanzt er Blumen vor dem Hauptbahnhof. (Foto: online.sdeauto)

Diese martialischen Worte stehen im Manifest der sogenannten Guerilla-Gärtner, die auf eigene Faust Blumen, Büsche und Bäume auf öffentliche Plätze pflanzen. Wer das Pamphlet liest, bekommt Tipps für die Wahl des "Anschlagziels", des "Kampfanzugs" und zur besten Methode.

Hier zitieren die Untergrund-Gärtner die amerikanische Militärdoktrin, die auf "shock and awe" - Schrecken und Ehrfurcht - setzt und versucht, militärische Ziele mit einer schnell eingesetzten, gewaltigen Übermacht zu erreichen. Das gärtnerische Äquivalent dazu sind massenweise eingepflanzte, bunte Blumen wie Tulpen oder Narzissen.

Erhältlich ist die Kampfschrift unter dem Titel: "Guerilla-Gärtnern, ein botanisches Manifest". Ihr Autor ist der Brite Richard Reynolds, der seit sechs Jahren einen Krieg gegen städtische Verwahrlosung und Ignoranz führt, indem er heimlich Alpenveilchen, Lavendel und Sonnenblumen an hässlichen Ecken Londons pflanzt.

Der Werbeberater verlieh der seit über 30 Jahren bestehenden Bewegung der Garten-Guerillas neuen Schwung, als er neben Spitzhacke und Gießkanne das Internet ins Arsenal aufnahm und die Seite www. guerrillagardening.org schuf. Dort sprießt und knospt seither seine Botschaft von der heimlichen Stadtbegrünung.

Studentenblume im Aschenbecher

Und während sich seine Anhänger zunächst vor allem mit Ämtern und Parkverwaltungen anlegten, schließen sie inzwischen mancherorts Waffenstillstand mit den Behörden. Dafür protestieren nun Naturschützer gegen die grünen Übergriffe.

Heute sind fast 19.000 Guerilleros aus etwa 40 Ländern auf der Webseite eingetragen. In Deutschland gibt es Mitglieder in mehr als 20 Städten von Kiel bis München. Von einer einheitlichen Bewegung kann dabei freilich keine Rede sein. Reynolds vergleicht die Gärtner gerne mit Salbei, von dem gebe es 900 Unterarten.

So gehört jener Wiener, der eine Studentenblume in einem Aschenbecher der U-Bahn erblühen ließ ebenso zu den Guerilleros wie der Brite, der auf Autofahrten händeweise Mohn-Samen aus dem Fenster wirft.

Es gibt radikale Anhänger wie die Londoner, die nächtens eine Autobahn absperrten, den Asphalt aufbrachen und zwei Bäume auf die Überholspur pflanzten. Aber auch die Bürger der Stadt Essen, die im Auftrag der Kommune Grünflächen harken, lässt Reynolds noch als Guerilla-Gärtner gelten.

Längst ist die Bewegung auch im Geschäftsleben etabliert: In Deutschland liefert Manufactum handliche Kugeln aus Samen und Nährsubstrat. Auch Reynolds' botanische Kampfschrift hat der Versandhändler im Angebot.

Doch auch wenn der Kommerz die Bewegung erreicht hat, bleiben die meisten Aktionen illegal. München beispielsweise hat eine Grünanlagensatzung, die Bußgelder für den Eingriff in städtische Beete vorsieht. Bislang waren die Aktionen aber zu unbedeutend für Strafbescheide, heißt es aus dem zuständigen Baureferat. In Berlin dagegen kam es im Streit um den Gemeinschaftsgarten "Rosa Rose", einen der bekanntesten Guerilla-Gärten Deutschlands, zu Polizeieinsätzen und Festnahmen.

Nicht nur juristisch, sondern auch ökologisch gesehen ist das illegale Gärtnern eine zweischneidige Angelegenheit. "Im Ansatz sehe ich die Idee positiv", sagt die Ökologin Ulrike Weiland von der Universität Leipzig. Das Pflanzen könne das Gemeinschaftsgefühl der Anwohner stärken.

"Aber urbane Brachflächen können einen hohen Wert für die Pflanzen- und Tierwelt einer Stadt haben." Nachtigallen zum Beispiel bauen ihre Nester gerne am Boden städtischer Brachen in unmittelbarer Nähe von Gehölzen, Reptilien leben in der Nähe von warmen Mauersüdseiten und seltene Amphibien an feuchten Stellen ungenutzter Flächen. Insekten sammeln ihren Nektar aus Wildblumen. Nicht alles, was Gärtner gerne pflanzen, ist ein guter Lebensraum für die Tiere.

Problematische Farbflecken

Gerade die beliebten Farbflecken könnten Probleme verursachen, warnt auch Heidrun Heidecke vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. "Die gelb blühende Forsythie mag schön aussehen, aber als ursprünglich nicht einheimisches Gewächs ist sie für Insekten nutzlos". Ähnliches gelte für viele beliebte Sommerblumen, die Gärtner - ob legal oder nicht - so gerne pflanzen.

Wer wissen möchte, wie schützenswert ein Areal ist, sollte sich an die Behörden wenden, rät daher Ulrike Weiland. "In den meisten großen Städten gibt es eine Biotop-Kartierung. Sie kann bei den für Naturschutz zuständigen Ämtern eingesehen werden."

Wer essbare Pflanzen anbaut, sollte sich schon aus Eigeninteresse informieren: Städtische Böden können mit Giftstoffen kontaminiert sein, die die Pflanzen aufnehmen. Auch Gerd Wessolek vom Institut für Ökologie der TU Berlin empfiehlt, sich im Zweifelsfall Rat bei Fachleuten und Umweltverbänden zu holen. "Als wunderbares Nebenprodukt findet dabei ein Stück Umweltbildung statt", sagt er.

So absurd es klingt, dass die botanischen Brigaden den Abwurf ihrer Samenbomben mit den Ämtern klären, so häufig wird die Zusammenarbeit bereits praktiziert. Der Berliner Garten "Rosa Rose" zum Beispiel ist nach langen Kämpfen umgezogen - auf eine von der Stadt bereit gestellte Fläche. Auch der bekannteste Guerillero, Richard Reynolds selbst, beackert die Beete vor seinem Wohnblock längst im Auftrag der Hausverwaltung.

© SZ vom 26.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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