Graffiti:Sprühen gegen Sprayer

Mordlustiges Schneewittchen

Für Sprayer gehört der Nervenkitzel dazu: Bestünde keine Gefahr, von Sicherheitskräften erwischt zu werden, würde es wahrscheinlich nur halb so viel Spaß machen, Wände oder Züge mit Graffiti zu bemalen.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
  • Graffitifarben lassen sich in der Regel nicht einfach wegwischen und müssen deshalb aufwendig entfernt werden.
  • Zahlreiche Unternehmen bieten neue Anti-Graffiti-Schutzsysteme.
  • Besoners knifflig sind denkmalgeschützte Gebäude. Hier sollten Schutzschichten möglichst unsichtbar sein und mindestens 100 Jahre halten.

Von Andrea Hoferichter

Eine besonders elegante Art, unerwünschte Graffiti zu entschärfen, zeigen der Berliner Künstler Ibo Omari und seine Mitstreiter von der Initiative "Paint Back". Sie verwandeln Hakenkreuze mit ein paar schlauen Sprühstrichen in Kleeblätter, Propellerflugzeuge oder Hasenzähne.

Natürlich holen sie sich vorher immer eine Erlaubnis ein. Der Alltag im Kampf gegen illegale Graffiti ist weit weniger inspirierend. Statt junger Künstler mit Caps, Hoodies und Farbdosen rücken in der Regel Reinigungstrupps in Schutzanzügen an und entfernen Buchstaben, Zeichen oder Bilder mit aggressiven Lösemittelcocktails. Die Reste wandern in den Sondermüll.

"Die Farben lassen sich in der Regel nicht einfach wegwischen. Sie können Lackoberflächen angreifen und tief in die Poren von Beton und Steinen eindringen", sagt André Laschewsky vom Fraunhofer-Institut für Polymerforschung in Potsdam. Trotz Reinigung bleiben häufig dunkle Schatten, die sich nur durch Sandstrahlen abtragen lassen - mitsamt Bausubstanz. Helfen sollen nun sogenannte Anti-Graffiti-Schutzschichten, die meist aufgerollt oder aufgesprüht werden und eine Barriere zwischen Untergrund und Farbe bilden und so die Reinigung erleichtern.

"Die für die Szene spezialisierten Industriefarben werden immer aggressiver."

Der Bedarf an solchen technischen Lösungen ist groß. Alleine im Jahr 2016 zählte das Bundeskriminalamt mehr als 100 000 Graffiti-Straftaten. Der Deutsche Städtetag errechnete 2002 jährliche Schäden von mehr als 200 Millionen Euro. In Großbritannien verschlingt allein die Reinigung besprühter Wände umgerechnet rund eine Milliarde Euro, und in den USA fallen für Überwachung, Reinigung und Instandsetzung mehr als zwölf Milliarden Euro an. Die Rechnung zahlen in der Regel Steuerzahler - und Bahnfahrer, denn Verkehrsbetriebe sind besonders stark betroffen und reichen ihren finanziellen Aufwand über die Ticketpreise weiter.

Das Angebot an Anti-Graffiti-Schutzsystemen, die diese Kosten drücken sollen, ist vielfältig. Das Chemieunternehmen Wacker etwa präsentierte im Frühjahr auf einer Messe leicht glänzende Schichten auf Silikonbasis, von denen die meisten Graffiti-Farben mit kaltem Wasser abgewischt werden könnten. Die farbabweisende Wirkung des Materials kennt jeder, der schon einmal versucht hat, Silikonfugen im Bad zu überstreichen. Auch Backpapier ist mit einer dünnen Silikonschicht überzogen, weil praktisch nichts dran kleben bleibt.

"Unsere Schichten halten mindestens 20 Reinigungszyklen und lassen Wasserdampf aus dem Baumaterial nach außen diffundieren", sagt der Bautenschutzexperte Rudolf Hager des Chemieunternehmens. Das sei wichtig, damit zum Beispiel Pilze oder Frost keinen Schaden anrichten könnten. Der Silikonkautschuk sei vor allem für Beton geeignet und enthalte keine in der Kritik stehenden Substanzen wie Oxime, Zinn- oder Fluorverbindungen, so die Firmenvertreter.

Auch der Chemiekonzern Evonik bietet ein Anti-Graffiti-Produkt aus Siliziumverbindungen an. Es sei eher eine Imprägnierung als eine Beschichtung, heißt es aus dem Unternehmen. Bis zu zehn Behandlungen seien möglich, dann müsse die Imprägnierung erneuert werden. Als Reinigungsmittel kommt ein eigens dafür entwickeltes Gel zum Einsatz. Zur bunten Palette der Anti-Graffiti-Systeme zählen außerdem lackähnliche Polyurethan- oder Acrylmischungen, etwa von BASF oder Du Pont. Sie sind sehr haltbar, dafür in der Regel wenig dampfdurchlässig. Als beständig und dampfdurchlässig zugleich werden Schichten aus Nanoteilchen beworben, etwa aus der Quarzsandverbindung Siliziumdioxid.

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