Paläontologie:Warum der größte Affe der Welt ausgestorben ist

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Hat Gigantopithecus blacki so ausgesehen? Möglich wäre es. Aber in Wahrheit sind nur Zähne und Kieferknochen von dem drei Meter großen Menschenaffen übrig geblieben. (Foto: Garcia; Joannes-Boyau/dpa)

Nur 2000 Zähne und vier Kieferknochen zeugen von der Existenz des Gigantopithecus blacki. Jetzt weiß man zumindest, wann der Riesenaffe ausgestorben ist und warum.

Von Tina Baier

Vom Bigfoot, einem riesigen, menschenähnlichen Wesen mit vielen Haaren und großen Füßen, gibt es zwar viele Geschichten, aber keinen wissenschaftlich anerkannten Existenzbeweis. Beim Gigantopithecus blacki, einem wahrscheinlich drei Meter großen und 250 Kilogramm schweren Primaten, ist das anders. Auch er ist von vielen Rätseln umgeben, aber dass er wirklich existiert hat, ist klar: 2000 riesige fossile Zähne und vier Kieferknochen, die im heutigen China gefunden wurden, belegen es.

Das ist nicht viel, und deshalb ist über den größten Affen, der jemals auf der Erde gelebt hat, nur wenig bekannt. Auch wenn das Internet voll ist mit Abbildungen und sogar Videos - in Wahrheit "weiß man nicht, wie Gigantopithecus blacki ausgesehen hat", sagt Ottmar Kullmer, Paläoanthropologe bei der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main.

Ein Team chinesischer, australischer und US-amerikanischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat jetzt zumindest herausgefunden, wann Gigantopithecus blacki eigentlich ausgestorben ist. Ihrer Untersuchung zufolge, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature erschienen ist, starb der riesige Affe vor 295 000 bis 215 000 Jahren aus. Auch über die Ursachen seines Verschwindens machen sich die Forschenden Gedanken.

"Die Geschichte von Gigantopithecus blacki ist ein Rätsel der Paläontologie", sagt Yingqi Zhang von der Chinese Academy of Sciences, der an der Studie beteiligt war, in einer gemeinsamen Pressemitteilung der beteiligten Universitäten. "Warum ist ein derart mächtiges Lebewesen zu einer Zeit ausgestorben, in der es andere Primaten geschafft haben, sich anzupassen und zu überleben?"

Zum Klettern war der Riesenaffe viel zu schwer

Die Studie in Nature, die jetzt wenigstens einige der vielen Lücken in der Geschichte des riesigen Primaten füllt, ist das Ergebnis eines großangelegten Projekts, in dem Experten verschiedener Disziplinen zusammengearbeitet haben. Dabei wurden 22 Höhlen in Guangxi, einer autonomen Region im Süden Chinas, akribisch untersucht; in der Hälfte davon waren Überreste des Riesenaffen gefunden worden, in der anderen nicht. Um zu datieren, wann Gigantopithecus blacki verschwunden ist, analysierten die Forschenden mit verschiedenen Techniken einerseits das Alter der fossilen Überreste und andererseits das Alter der Sedimentschichten in den Höhlen.

Nachdem das Zeitfenster klar war, in dem der Primat ausgestorben ist, konnten sich die Forschenden Gedanken über die Ursachen machen. "Es ist sehr schwierig, den Grund für das Aussterben einer Art herauszufinden. Aber wenn man den Zeitpunkt kennt, an dem die Spezies verschwunden ist, kann man die Umweltbedingungen zu dieser Zeit rekonstruieren und einschätzen, wie sich das Lebewesen verhalten hat", sagt Kira Westaway von der australischen Macquarie University laut einer Pressemitteilung.

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Schon vor der aktuellen Untersuchung war bekannt, dass Gigantopithecus blacki wahrscheinlich in tropischen oder subtropischen Wäldern gelebt hat. "Er war ein Bodenbewohner", sagt Kullmer. "Zum Klettern war er zu schwer." Die ursprüngliche Auffassung, das riesige Tier habe sich vorwiegend von Bambus ernährt, wurde aufgrund von Analysen der fossilen Zähne revidiert. Wahrscheinlich hat der Primat auch andere Pflanzen gefressen, aber er war wahrscheinlich ein wählerischer Nahrungsspezialist.

War Gigantopithecus blacki die Vorlage für Bigfoot?

In der aktuellen Studie fanden die Forschenden unter anderem durch Pollenanalysen und einer Rekonstruktion der Tierwelt heraus, dass das Klima in der Zeit des Aussterbens von Gigantopithecus blacki trockener geworden ist, und dass es größere Unterschiede in den Jahreszeiten gab. Dadurch habe sich die Pflanzenwelt und als Konsequenz auch das Nahrungsangebot für den gigantischen Affen verändert, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. Das Tier habe es wahrscheinlich nicht geschafft, seine Ernährungsgewohnheiten umzustellen und an das veränderte Angebot anzupassen. " Gigantopithecus blacki war ein ausgesprochener Spezialist im Vergleich zu anpassungsfähigeren Primaten wie dem Orang-Utan", sagt Yingqi Zhang. Und das habe sein Schicksal besiegelt.

Trotz der neuen Erkenntnisse sind noch längst nicht alle Geheimnisse um den Riesenaffen gelüftet, seit der deutsche Paläontologe Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald 1935 den ersten fossilen Gigantopithecus-Zahn in einer Apotheke in Hongkong entdeckt hat. Der riesige Backenzahn wurde dort als Heilmittel verkauft.

Warum zum Beispiel wurden fast alle Überreste des Riesenaffen in Höhlen gefunden? "Dafür gibt es verschiedene Erklärungsmöglichkeiten", sagt Kullmer. "Entweder die Primaten haben in diesen Höhlen gelebt, oder ihre Überreste wurden von anderen Tieren dorthin getragen." Und ist Gigantopithecus blacki möglicherweise der Ursprung der Bigfoot-Legende? Manche Anthropologen vermuten das. Beweisen lässt es sich aber bislang nicht.

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