Gezänk um Stammzellen:Biotech-Firma entlässt kritischen Mitarbeiter

Lesezeit: 2 Min.

In Kalifornien befasst sich gerade die Justiz mit der Sauberkeit des Geschäfts mit Stammzellen. Ein Ex-Manager der Firma Stemcells klagt gegen seinen früheren Arbeitgeber. Er hatte auf Schlampereien hingewiesen - dann wurde ihm gekündigt.

Von Christina Berndt

Die lauten Diskussionen um Stammzellen sind zuletzt leise geworden. So leise, dass mitunter schon Kritik aufkam, an den Versprechen neuer Therapien mit Hilfe der wandlungsfähigen Zellen sei nichts dran gewesen. Doch im Hintergrund sind Stammzellen längst zu einem Geschäftsfeld geworden. Vor allem in den USA und Asien konkurrieren bereits zahlreiche Firmen.

Und dabei wird mit ganzem Einsatz gekämpft: In Kalifornien befasst sich gerade die Justiz mit der Sauberkeit des Stammzellgeschäfts. Ein Ex-Manager der Firma Stemcells hat vor dem Gericht in Alameda County gegen seinen früheren Arbeitgeber geklagt. Dieser habe ihm gekündigt, weil er die Unternehmensführung auf Sicherheitsmängel bei der Herstellung von Stammzellprodukten hingewiesen habe, heißt es in der Klageschrift.

Im Stammzell-Business sorgt der Fall für reichlich Aufregung. Stemcells ist keineswegs eine unbedeutende Biotech-Klitsche. Die Firma publiziert Forschungsarbeiten auch in angesehenen Journalen wie Cell oder Science Translational Medicine. Sie ist einer der Vorreiter auf dem Gebiet der Stammzellforschung - im positiven wie im negativen Sinne.

International bekannt geworden ist Stemcells mit gewagten klinischen Studien. So hat die Firma schon 2008 Kindern Stammzellen ins Gehirn transplantiert. Vorne mit dabei ist sie auch bei Studien an Patienten zur Behandlung von Querschnittslähmung und der Augenkrankheit AMD, einer altersbedingten Maculadegeneration. Dabei setzt sie auf ihr Präparat "HuCNS-SC", eine Anzucht von Nervenstammzellen aus Hirngewebe von Föten.

Vieles ist mit heißer Nadel gestrickt

Um die Herstellung eben dieses Präparats zu überwachen, hatte Stemcells im Dezember 2013 den Manager Rob Williams eingestellt. Kurz darauf meldete er Sicherheitsmängel: Die Produktion sei nicht steril, warnte er die Firmenleitung. Auch laufe das Einfrieren der Zellpräparationen nicht unter den erforderlichen Bedingungen ab, so dass die Chargen einen viel zu hohen Anteil an toten Zellen enthalten würden. Patienten würden dadurch gefährdet. Doch in der Firma haben niemand seine Bedenken hören wollen, sagt Williams. Stattdessen habe er wenige Wochen später seine Kündigung erhalten. Jetzt will er Schadensersatz.

Man habe den Herstellungsprozess noch einmal eingehend geprüft, ohne Mängel zu finden, entgegnet die Firma. Außerdem sei Williams nicht wegen seiner Kritik entlassen worden, sondern weil er nicht die erhoffte Leistung erbracht habe. Dennoch werde die Qualität des firmeneigenen Stammzellprodukts derzeit noch einmal durch die US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA überprüft. "Bis heute sind bei keinem einzigen Patienten, der an den klinischen Studien teilgenommen hat, Sicherheitsbedenken aufgetreten", betont Stemcells.

Tatsächlich sind bisher keine Probleme mit Stemcells-Produkten bekannt geworden, sondern erste Erfolge. So wurde im Juni eine AMD-Studie geschlossen, weil die Ergebnisse angeblich so positiv verliefen, dass nun gleich eine Studie der nächsten Phase begonnen werden soll. In Peer-Review-Journalen publiziert sind die Ergebnisse bislang allerdings nicht.

Das gilt auch für die Resultate bei querschnittsgelähmten Patienten, die ersten Berichten zufolge ebenfalls positiv sind. Federführend dabei ist der Paraplegie-Experte Armin Curt von der Universität Zürich. Er hatte im Mai während einer Tagung der American Spinal Injury Association berichtet, dass vier von sechs seiner gelähmten Patienten, denen Nervenstammzellen in die Nähe einer Rückenmarkverletzung gespritzt worden seien, Gefühl zurückgewonnen hätten. "Bis anhin sind bei den Patienten keine Bedenken betreffend Zellqualität aufgetreten", betont Curt in einer Mail an die SZ. Aktuell sei er deshalb nicht besorgt. Auch seien ihm die Motive des Klägers Williams unklar. "Es geht uns aber um die absolute Patientensicherheit", betonte Curt, "sodass wir die Beurteilung durch die FDA abwarten."

Zum aktuellen Fall kann der Stammzellforscher Gerd Kempermann vom Zentrum für Regenerative Therapien an der TU Dresden nichts sagen. Grundsätzlich aber betrachtet er das internationale Stammzell-Business mit Sorge. "Vieles in dieser Szene ist mit heißer Nadel gestrickt", sagt er. "Wenn man als Wissenschaftler sieht, wie groß die grundlegenden Probleme mit den Stammzellen bis heute noch sind, dann bekommt man bei diesen ganzen kommerziellen Anwendungen schon Bauchweh."

© SZ.de/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: