Geschichte:Grünen-Fraktionschef Braun vermisst utopisches Denken

Lesezeit: 1 min

Mainz (dpa/lrs) - Nichts fehlt der aktuellen Politik nach Ansicht des Grünen-Politikers Bernhard Braun so sehr wie die Bereitschaft zu utopischem Denken. "Für mich ist eine Gesellschaft, die keine Utopien mehr hat, eine sterbende Gesellschaft", sagte der Fraktionschef im rheinland-pfälzischen Landtag mit Blick auf den 100. Todestag des politischen Philosophen Gustav Landauer am kommenden Donnerstag.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Mainz (dpa/lrs) - Nichts fehlt der aktuellen Politik nach Ansicht des Grünen-Politikers Bernhard Braun so sehr wie die Bereitschaft zu utopischem Denken. „Für mich ist eine Gesellschaft, die keine Utopien mehr hat, eine sterbende Gesellschaft“, sagte der Fraktionschef im rheinland-pfälzischen Landtag mit Blick auf den 100. Todestag des politischen Philosophen Gustav Landauer am kommenden Donnerstag.

Braun hat 1991 unter dem Titel „Die Utopie des Geistes“ eine Dissertation über die politische Theorie Landauers vorgelegt. Der in Karlsruhe geborene Philosoph und Schriftsteller entwickelte Vorstellungen einer kommunistisch-anarchistischen Gesellschaft. Während der Novemberrevolution von 1918/19 war er in der Münchner Räte-Republik Volksbeauftragter für die Schulen und schaffte die Prügelstrafe ab. Nach der Niederschlagung durch rechtsgerichtete Freikorps wurde Landauer verhaftet und am 2. Mai 1919 erschossen.

Verträgt sich utopisches Denken überhaupt mit politischen Parteien in ihrer heutigen Form? „Parteien sind nicht die Träger von Utopien“, antwortete Braun im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Sie könnten aber „die Träger dessen sein, was man von den Utopien eventuell umsetzen kann“. Braun bedauerte eine verbreitete Abwehrhaltung gegen das grundsätzlich Neue: „Das Argument „Das ist nicht umsetzbar“ ist in der Politik leider sehr verbreitet.

Allein mit technokratischen Lösungen könnten Herausforderungen wie gesellschaftliche Gerechtigkeit oder die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen nicht angegangen werden, sagte Braun. „Doch ohne ein Ziel, wohin man will, verliert man doch die Orientierung.“ In der Schülerprotestbewegung „Fridays for Future“ sieht Braun „die Aufbruchsstimmung einer Jugend, die jenseits der Sachzwänge mitbestimmen will, wie ihr Leben und die Zukunft aussehen sollen“.

Auch der Berliner Kulturwissenschaftler Jan Rolletschek erkennt in diesem Aufbegehren für wirksamen Klimaschutz Überzeugungen, die Gustav Landauer geprägt haben. „Es ging ihm darum, dass die Menschen ihre Handlungsmacht nicht an andere abtreten.“ Mit dem Schulstreik brächten die Jugendlichen zum Ausdruck, dass sie auch bereit seien, bestehende Rahmenbedingungen in Politik und Wirtschaft in Frage zu stellen, sagte Rolletschek. Er hat im Rathaus Berlin-Kreuzberg eine Ausstellung zum 100. Todestag mit auf den Weg gebracht.

„Das utopische Moment liegt darin, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der alle ihr Vermögen entfalten, sich gegenseitig unterstützen und neue Maßstäbe für eine soziale Ökologie entwickeln“, meinte der Kulturwissenschaftler.

Eine zentrale Antriebskraft für gesellschaftliche Veränderungen sei die Begeisterung, sagte Braun mit Blick auf Landauer. „Deswegen sind die gemeinsamen, auch internationalen Aufbrüche so wichtig, die jetzt stattfinden.“

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: