Fraunhofer-Gesellschaft:Luxus für den Vorstand

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Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft in München. (Foto: Obermeier/imago/imagebroker)

Besuche im Nobelrestaurant, teure Geschenke und Dienstreisen: In einem vernichtenden Bericht wirft der Bundesrechnungshof der Fraunhofer-Gesellschaft zahlreiche Verstöße vor - und attestiert dem Forschungsministerium Kontrollversagen.

Von Christoph von Eichhorn

Zugegeben, selbst für die Verhältnisse einer Behörde klingt die Überschrift "Ausgewählte Aspekte der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Fraunhofer-Gesellschaft" recht dröge. Doch der Inhalt des Dokuments hat es in sich. Auf mehr als 60 Seiten wirft der Bundesrechnungshof (BRH) darin dem Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft "zahlreiche Verstöße gegen interne und externe Regeln" vor. Vor allem für Reisen, Dienstfahrzeuge, Bewirtungen und Veranstaltungen seien rechtliche Vorgaben unzureichend beachtet worden, es habe eine Kultur des Wegschauens geherrscht, die interne Revision sei weitgehend untätig geblieben. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) kommt in dem Bericht nicht gut weg. Als Zuwendungsgeber der Forschungsgesellschaft habe es diese bislang zu wenig kontrolliert.

Konkret untersuchte der Rechnungshof die Ausgaben der Fraunhofer-Gesellschaft zwischen 2016 und 2021, vor allem jene des dreiköpfigen Vorstands. Bereits 2008 und 2016 hatten die Prüfer unter anderem überhöhte Reisekosten bemängelt. An der Praxis hat sich nach ihrer Auffassung aber wenig geändert. "Aufgrund des Fortbestehens und der Erheblichkeit der Verstöße" sei daher nun auch der Haushaltsausschuss des Bundestags informiert worden.

So habe ein Vorstandsmitglied beispielsweise in Österreich für 663 Euro genächtigt, obwohl die Obergrenze für Übernachtungen in dem Land bei 115 Euro lag. In Rostock, Hannover, Dresden und München blieb ein Vorstand für mehr als 300 Euro pro Nacht. Diese Person, im Bericht "Vorstand X" genannt, habe bei jeder einzelnen Reise im Jahr 2019 die ortsübliche Obergrenze überschritten und dies hauptsächlich mit einem persönlichen "Wunsch" begründet. Insgesamt seien aufgrund der großzügigen Reisen allein 2019 Zusatzkosten von mehr als 17 000 Euro entstanden. Bei einer Ausweitung der Prüfung auf die Jahre 2016 bis 2021 habe sich der Sachverhalt bestätigt. Der Rechnungshof empfiehlt daher, "dass die Vorstände ungerechtfertigte Reisekosten in den Jahren 2016 bis 2021 aus eigenen Mitteln erstatten". Daneben kritisieren die Prüfer teure Geschenke, die an Mitarbeiter und Dritte gegangen seien, "wie versilberte Stollenmesser, Porzellan oder Cognac zu Beträgen von 200 Euro und mehr".

Bogenschießen für 1600 Euro

Um noch deutlich größere Summen geht es bei den Bewirtungen. Der BRH untersuchte hier "aufgrund der Vielzahl der Fälle" nur Bewirtungen im Vorstandsbereich "mit Teilnahme des Vorstandsmitglieds X", die bei mehr als 60 Euro pro Person lagen. Allein diese machten innerhalb von sechs Jahren 312 676 Euro aus. So wurden im Jahr 2018 für Bewirtungen, an denen X teilnahm, rund 102 000 Euro ausgegeben. Für die Nutzung eines Restaurants sei eine Clubmitgliedschaft erforderlich gewesen, die jährlich 1095 Euro kostete und die zumindest 2017 von Fraunhofer bezahlt wurde. Häufig hätten sich die Speisen und Getränke im oberen bis obersten Preissegment teurer Restaurants bewegt, schreiben die Prüfer. "Ferner wurde ein verhältnismäßig hoher Kostenanteil für alkoholische Getränke aufgewendet." Besonders heikel: Drei Bewirtungen von X aus der höchsten Preiskategorie fanden mit einem ehemaligen Leitungsmitglied des BMBF statt, zu diesem Zeitpunkt zuständig für die Vergabe von Zuwendungen an die Forschungsgesellschaft.

Die Fraunhofer-Gesellschaft mit Hauptsitz in München zählt zu den größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Deutschlands. Sie finanziert sich zu zwei Dritteln aus Erträgen aus der Auftragsforschung für die Wirtschaft und aus öffentlich finanzierten Forschungsprojekten. Ein Drittel der Gelder stammt aus institutionellen Fördermitteln, wovon der Bund 90 Prozent übernimmt. 2023 sieht der Bundeshaushalt 850 Millionen Euro für die institutionelle Förderung der Fraunhofer-Gesellschaft vor.

Empfänger dieser Förderung dürfen laut Rechnungshof jedoch Beschäftigte nicht besserstellen als vergleichbare Beschäftigte des Bundes. Dies gelte uneingeschränkt auch für die Mitglieder des Vorstands der Fraunhofer-Gesellschaft. Eben dies hatte die Fraunhofer-Gesellschaft nach Darstellung des BRH bestritten: Das Besserstellungsverbot entfalte keine unmittelbare Wirkung im Verhältnis der Fraunhofer-Gesellschaft zu ihren Vorständen, argumentierte die Forschungseinrichtung in einer Stellungnahme. Zudem sei das Prüfungsmandat des Bundesrechnungshofs in diesem Punkt begrenzt.

Auf Nachfrage der SZ stellt die Fraunhofer-Gesellschaft den Sachverhalt nun anders dar: "Fraunhofer akzeptiert selbstverständlich das vom BRH in den Mittelpunkt gerückte Besserstellungsverbot." Dies sei auch dem Rechnungshof kommuniziert worden. Seit 2016 ist die Fraunhofer-Gesellschaft zudem dazu übergegangen, Reisekosten jenseits der üblichen Obergrenzen aus ihren Wirtschaftserträgen an den Bund zurückzuerstatten - eine Praxis, die der BRH ebenfalls als unzulässig betrachtet. Vielmehr dürften auch diese Mittel ausschließlich für satzungsgemäße Ausgaben, also beispielsweise die Forschung, verwendet werden. "Hierzu gehört nicht die Erstattung rechtswidriger Reisekosten der Vorstände."

Der Rechnungshof warnt, das Fehlverhalten könnte das Wissenschaftssystem insgesamt diskreditieren

Auffällig sind laut Bundesrechnungshof auch die hohen Kosten für Veranstaltungen der Führungsebene der Fraunhofer-Gesellschaft. So liefen allein für mehrtägige Vorstands- und Präsidiumsklausuren zwischen 2016 und 2021 Kosten in Höhe von 123 000 Euro an. Diese beinhalteten beispielsweise eine Radpartie mit Sektempfang oder Bogenschießen (Einzelkosten 1600 Euro). "Häufig nahmen an den Bewirtungen Begleitpersonen teil", schreiben die Prüfer. Eine Begründung für die Notwendigkeit der Teilnahme von Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern sei in den Unterlagen jedoch nicht zu finden gewesen. Nach Ansicht des Rechnungshofs seien insgesamt "Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit größtenteils außer Acht gelassen worden".

Insgesamt könne das Verhalten der Führungsspitze von Fraunhofer "die Leistungen des Wissenschaftssystems insgesamt diskreditieren", schreibt der BRH in einem Fazit. Aber auch das BMBF müsse nun "seiner Rolle als Zuwendungsgeber stärker gerecht werden". Bislang habe es sich bei Nachweisprüfungen vor allem auf Berichte von Wirtschaftsprüfern verlassen, eigene Prüfungen seien kaum erfolgt. Dies werde den Anforderungen des Haushaltsrechts nicht ausreichend gerecht.

Zudem habe das Ministerium die Prüfungstätigkeit des BRH behindert, indem es die Herausgabe bestimmter Akten und den Zugriff auf elektronische Laufwerke verweigert habe. Ein Sprecher der Fraunhofer-Gesellschaft erklärte, die Organisation begrüße den Prüfungsbericht des BRH. "Er ist ein wesentlicher Baustein, um Prozessschwächen zu erkennen, sich kontinuierlich zu verbessern und weiterzuentwickeln."

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