EU-Agrarpolitik:Käfer und Bienen in Not

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Die EU-Agrarreform werde die Artenvielfalt nicht ausreichend schützen, warnen Forscher (Foto: Carsten Rehder/dpa)

2013 beschloss die EU eine neue, grünere Agrarpolitik. Doch nun schlagen Forscher Alarm: Die Reform schade der Natur, Insekten und andere Tiere bekämen keinen besseren Schutz - im Gegenteil.

Von Marlene Weiß, München

Es ist kein gutes Zeugnis, das eine Gruppe von Wissenschaftlern den EU-Agrarpolitikern an diesem Freitag für die Reform der Landwirtschaftszahlungen ausstellt; und dass es im renommierten Fachmagazin Science erscheint, macht es nicht angenehmer. "Die EU-Agrarreform versagt bei der Artenvielfalt", steht da - dabei war ein Hauptziel der Reform, dass Bauern das Land so bestellen, dass wieder mehr Insekten und andere Tiere dort leben können. Die industrielle Landwirtschaft und der Einsatz von Pestiziden macht es vielen Tieren schwer. Viele Politiker hätten die neuen Regeln als "grüner" dargestellt, schreiben nun die Forscher. Es sei aber unwahrscheinlich, dass sie der Natur nutzten. Anders formuliert: Mangelhaft bis ungenügend, Versetzung gefährdet.

"Unter dem Strich könnte die Reform die Dinge verschlechtern", sagt Guy Pe'er, Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und Hauptautor der Studie. Vor allem, weil sie die EU-Staaten zur Untätigkeit verleite: "Es wird behauptet, dass jetzt alles grüner ist, aber es besteht die Gefahr, dass es 2020 plötzlich heißt: Oh, hat doch nicht funktioniert." Dabei seien die Staaten jetzt erst recht gefordert. Nur die Mitgliedstaaten könnten die Reform noch retten, indem sie die laschen Vorgaben ehrgeizig auslegten.

Die 2013 beschlossene EU-Landwirtschaftsreform regelt, an welche Bedingungen die milliardenschweren europäischen Hilfen für die Landwirtschaft künftig geknüpft sein sollen. Ziel war es, stärker auch Umweltschutzgedanken zu berücksichtigen - und damit etwa die Bodenerosion zu stoppen und der Natur wieder mehr Raum zu geben.

Zu viele Ausnahmen

Die Autoren der Analyse zerlegen die Reform gnadenlos. Eine wichtige neue Vorschrift ist etwa, dass Bauern einen Teil ihres Landes der Natur zurückgeben sollten. Zehn Prozent, hieß es erst, dann sieben, schließlich einigte man sich auf fünf. Gerade in den neuen EU-Staaten, schreiben die Forscher, liege das aber vermutlich unter dem heutigen Anteil naturnaher Flächen. Und dann all die Ausnahmen: Mehr als 88 Prozent der Betriebe und fast die Hälfte des bewirtschafteten Landes seien sowieso nicht betroffen, weil die Vorschrift erst ab einer Betriebsgröße von 15 Hektar gelte.

Und selbst bei den Betrieben, für welche die Fünf-Prozent-Vorschrift gilt, sei der Nutzen fraglich: Denn auf den neu auszuweisenden Naturflächen müssen die Bauern nicht etwa unberührte Natur entstehen lassen. Sie dürfen dort Sorten anbauen, die dem Boden guttun, zum Beispiel Hülsenfrüchte; Deutschland erlaubt seinen Bauern teilweise sogar, die Flächen zu düngen und zu spritzen. "Eine unglückliche Entscheidung", wie Pe'er sagt . Immerhin werden in Deutschland aber die artenreichen Wiesen und Weiden künftig geschützt, die fast überall bedrohlich zurückgehen. Andere Staaten lassen sie weiter schrumpfen.

Zudem kritisieren die Autoren, dass die Mittel für Umweltschutz-Aufgaben stärker gekürzt werden als die für pauschale Flächensubventionen. Zwar dürfen die Staaten künftig Geld zwischen beiden Töpfen hin und her schieben, in Deutschland etwa sollen vorerst 4,5 Prozent der Flächen-Mittel in den Umweltmaßnahmen-Topf gehen. Aber andere Staaten werden in die Gegenrichtung umschichten. Die Autoren nennen etwa Polen, die Slowakei und Kroatien - das drohe, die Umweltziele der Reform noch weiter zu schwächen.

Auch am Sinn vieler geförderter Umweltschutz-Aufgaben der Bauern zweifeln die Forscher. Nur 0,2 Prozent der Agrarmittel fließe in nachweislich ökologisch nützliche Maßnahmen. Was wohl heißt: Das meiste Geld wird für Dinge ausgegeben, bei denen man froh sein kann, wenn sie keinen Schaden anrichten.

© SZ vom 06.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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