Dass der Ausbau der erneuerbaren Energien neue Herausforderungen bringt, zeigte sich am 15. Januar 2023. An diesem Tag hätten die Erneuerbaren 96 Prozent des deutschen Strombedarfs decken können, allein 80 Prozent die Windkraft. Doch weil Stromleitungen fehlten, konnte der Strom nicht immer dorthin fließen, wo er gebraucht wurde. Da wäre es praktisch gewesen, den Strom zwischenspeichern und später ins Netz einzuspeisen zu können. Da mit dem weiteren Ausbau von Windkraft und Photovoltaik Schwankungen in der Stromerzeugung zunehmen, steigt auch der Bedarf an Speichermöglichkeiten, und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.
Nach Ansicht von Forschern der Universität Leiden und des US-amerikanischen National Renewable Energy Lab ist die Lösung für dieses Problem aber schon in Sichtweite. Demnach könnten Elektroautos einen Beitrag zur Stabilisierung der Stromversorgung leisten, indem sie Energie in ihren Akkus zwischenspeichern. Schon 2030 könnten sie den weltweiten Bedarf an Energiespeichern praktisch allein bedienen, wenn genügend Fahrzeughalter mitmachen, berichten die Forscher um Chengjian Xu in Nature Communications.
Darin rechnen sie vor, dass der kurzfristige globale Speicherbedarf im Jahr 2050 irgendwo zwischen 3,4 und 19,2 Terawattstunden (TWh) liegen dürfte. Die Batterien aus Elektroautos könnten dann aber bereits zwischen 32 und 62 Terawattstunden Kapazität für das Netz bereitstellen, den Bedarf also großzügig decken. Dabei haben die Wissenschaftler die Energiemengen, die für die Fahrten mit den E-Autos gebraucht werden, bereits abgezogen, Fahrer müssten also keine Einschränkungen hinnehmen.
Auch gebrauchte Batterien könnten einen Beitrag zur Stromversorgung leisten
Prinzipiell können Akkus aus Elektrofahrzeugen den Stromnetzen auf zwei Arten helfen. Einmal, indem E-Autos vor allem dann laden, wenn ausreichend Strom erzeugt wird, und ihn wieder ans Stromnetz abgeben, wenn er gebraucht wird. "Bidirektionales Laden" oder "Vehicle to Grid" heißt diese Technik. Eine weitere Möglichkeit liegt in der Wiederverwendung ausgemusterter Batterien. Akkus, deren Kapazität auf unter 70 bis 80 Prozent gefallen sei, eigneten sich meist nicht mehr zum Antrieb eines Fahrzeugs - wohl aber als Energiespeicher für das Stromnetz. Dafür müssten die Batterien nur geprüft und neu verkabelt werden. Angesichts des ökonomischen Werts, der in ausgemusterten Akkus steckt, schätzen die Forscher, dass etwa drei Viertel der alten Batterien dafür infrage kommen, während etwa ein Viertel recycelt werden dürfte.
Bidirektionales Laden:E-Autos als Energiequelle
Batteriefahrzeuge sind teuer und stehen meist ungenutzt herum. Künftig sollen sie überflüssige Energie aus den Akkus ins Netz einspeisen. Damit lässt sich Geld verdienen.
Wie viel Energie auf diese zwei Arten tatsächlich zwischengespeichert werden kann, hängt davon ab, wie schnell die Flotte an Elektroautos wächst. Im optimistischen Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) würden 2030 rund 138 Millionen batterieelektrische Autos auf den Straßen fahren, verglichen mit 17 Millionen heute. Von diesen müsste dann nur jeder fünfte E-Auto-Besitzer teilnehmen, um den vermuteten durchschnittlichen Bedarf zu decken. In einem konservativen Szenario verliefe der Ausbau etwa halb so schnell. Dann müssten 38 Prozent der Fahrer mitmachen. Hinzu kämen aber noch die ausgemusterten Batterien. Daher wäre eine moderate Beteiligungsrate in der Praxis wohl ausreichend. Schon 2030 könnten E-Autos die Energiewende maßgeblich unterstützen, schreiben die Forscher.
Dennoch müssten Regierungen rasch die Grundlagen für das bidirektionale Laden schaffen, heißt es in der Studie. So sollten Fahrzeughalter, die Strom bereitstellen, dafür entlohnt werden. Unternehmen könnte man möglicherweise sogar zur Teilnahme verpflichten. Zudem brauche es die nötige Hardware und Software, damit das Laden und Entladen funktioniert.