Artenschutz:Gibt es in diesem Sommer weniger Schmetterlinge?

Lesezeit: 3 min

Ein Karstweißling saugt an einem Schmetterlingsstrauch Nektar. Der Tagfalter profitiert von der Klimaerwärmung. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Wirklich belegt ist ein bundesweiter Schmetterlingsrückgang 2023 bisher nicht. Experten warnen vor voreiligen Schlüssen.

Viele Menschen haben in diesem Sommer den Eindruck, dass weniger Schmetterlinge flattern als in früheren Sommern. Auch wenn die Blumen sich mit ihren Blüten noch so viel Mühe geben: Kein Schmetterling weit und breit. Offizielle Zahlen gibt es dazu nicht, doch "wir haben Indizien und hören von Beobachtungen, dass es weniger Schmetterlinge gibt in diesem Jahr", sagt Martin Musche vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Er warnt trotzdem vor voreiligen Schlüssen.

Wirklich belegt ist ein bundesweiter Schmetterlingsrückgang 2023 bisher nicht. Musche analysiert die Daten des Projektes Tagfalter-Monitoring Deutschland, für das Freiwillige seit mehr als 15 Jahren rund 500 fest eingerichtete Strecken bundesweit begehen. Dabei zählen sie tagaktive Schmetterlinge, um Bestandsdaten zur Entwicklung von 70 bis 80 Arten zu erheben. Musche bittet noch um Geduld: "Für 2023 bekommen wir die Zahlen erst im nächsten Jahr." Und auch das sei nur ein Ausschnitt des Geschehens.

Allerdings deuten Ergebnisse aus Aktionen des Naturschutzbundes (Nabu) auf schlechte Schmetterlingszeiten hin: Knapp 14 000 Teilnehmer hätten diese Insekten in den Zählzeiträumen im Juni und August kaum gesichtet, teilte der Nabu am Donnerstag zum Projekt "Insektensommer" mit, für das jeder Sechsbeiner-Sichtungen melden kann.

SZ PlusWiederaufbau im Ahrtal
:"Nichts verstanden, nichts dazugelernt"

Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal versprachen Politiker, beim Wiederaufbau auf besseren Hochwasserschutz zu achten. Tatsächlich wird meist genauso aufgebaut wie vorher. Wie kann das sein?

Von Christoph von Eichhorn und Gianna Niewel

Da dieses Vorgehen im Gegensatz zum Tagfalter-Monitoring nicht standardisiert ist, müssen die Ergebnisse aus Sicht von Wissenschaftlern jedoch behutsam interpretiert werden. "Man kann sie als Indizien werten: Welche Arten sind gut vertreten, welche nicht? Aber es ist relativ schwierig, auf dieser Datenbasis Vergleiche zwischen den Jahren zu ziehen", sagt Musche.

Karl-Heinz Jelinek ist Schmetterlingsexperte beim Nabu in Nordrhein-Westfalen und liefert auch ehrenamtlich Daten für das Tagfalter-Monitoring des UFZ. Auf seinen Strecken sei die Lage Mitte August "gar nicht mal so schlecht" gewesen, berichtet er.

Ein großer Nutzen, den Fachleute in der Nabu-Zählaktion sehen, ist die Sensibilisierung für das Thema Insekten. Nicht zuletzt eine Studie von 2017 hatte aufgerüttelt: Ehrenamtliche Insektenkundler des Entomologischen Vereins Krefeld berichteten damals, dass die Gesamtmasse an Fluginsekten in Teilen Deutschlands von 1989 bis 2016 um mehr als 75 Prozent abgenommen habe. Das Tagfalter-Monitoring läuft zwar noch nicht so lange, über alle berücksichtigten Arten hinweg sehe man seit Mitte der 2000er-Jahre aber ebenfalls einen leichten Rückgang der Individuenzahl, der ungefähr zehn Prozent betrage, sagt Musche.

Die Trends entwickelten sich auch nicht bei allen Arten gleich. "Wir haben Gewinner und Verlierer", sagt Musche. Wärmeliebende Arten profitierten von der Klimaerwärmung. "Der Karstweißling, ein Einwanderer aus dem Mittelmeergebiet, hat sich in den vergangenen Jahren über ganz Deutschland ausgebreitet." Und der Brombeer-Perlmutterfalter tauche entlang des Rheins immer weiter nördlich auf. Entscheidend sei in solchen Fällen nicht allein das Klima, sondern es brauche auch die passenden Biotope.

"Wenn es in einem Jahr extrem schlecht ist, kann es im nächsten Jahr trotzdem wieder super sein."

Als Verlierer gilt etwa die Schmetterlingsart Schornsteinfeger, die einmal als einer der häufigsten Tagfalter in Deutschland angesehen wurde. "Von einem Einbruch im Dürrejahr 2018 hat sich die Art bisher nicht wieder erholt. Insbesondere in vielen Gebieten des Tieflandes sucht man sie vergeblich", sagt Musche.

Den möglichen Schmetterlingsrückgang in diesem Jahr wollen Fachleute nicht überbewerten. Einzelne Ereignisse können dafür sorgen, "dass es in einem Jahr besonders viele oder besonders wenige Schmetterlinge gibt", sagt Musche. Aussagekräftiger sei die längerfristige Entwicklung. Jelinek betont, dass Populationen von Jahr zu Jahr stark schwanken: "Wenn es in einem Jahr extrem schlecht ist, kann es im nächsten Jahr trotzdem wieder super sein."

Eindeutige Gründe für Zu- und Abnahmen lassen sich nicht immer benennen. Wettereinflüsse wie starker Frost im Winter oder ein kühles Frühjahr können eine Rolle spielen, aber etwa auch Parasiten. Wie groß eine Population ausfällt, hängt auch von der Entwicklung der Larven im Vorjahr ab. 2022 sei es in vielen Regionen extrem trocken gewesen - mit der möglichen Folge, dass Larven verhungerten, weil ihre Wirtspflanzen litten, wie Jelinek sagt."Auch Landschaftsveränderungen, Biotopzerstörung, Überdüngung und Pestizideinsatz spielen eine Rolle."

Kann man Tagfaltern durch Anpflanzungen etwas Gutes tun? Ja, sagt der Experte - wenn man auf einheimische Arten setze, die viel Nektar bieten. Vom beliebten Schmetterlingsflieder, der nach Nabu-Angaben ursprünglich aus China stammt, rät er ab: Er könne andere Pflanzen verdrängen.

© SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusArtensterben
:Alles andere weggefressen - wie invasive Arten die Biodiversität bedrohen

Sie richten oft irreversible Schäden in der Natur an und können die Gesundheit von Menschen gefährden. In einem Bericht warnt der Weltbiodiversitätsrat IPBES vor der Ausbreitung fremder Arten - und sagt, was man dagegen tun könnte.

Von Tina Baier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: