Sie sind die einsamen Wölfe unter den Himmelskörpern: "Rogue Planets", Einzelgänger-Planeten. Während Erde, Mars oder Saturn Ellipsenbahnen um ein Zentralgestirn (in dem Fall: die Sonne) ziehen, fliegen die Einzelgänger alleine durch die kalten, stillen Weiten des Alls. Dabei sind sie einst auf die gleiche Weise entstanden wie ihre gebundenen Verwandten: in ringförmigen Scheiben aus Gas und Staub um einen Protostern. Doch dann wurden sie durch eine Kollision mit einem anderen Himmelskörper aus ihrem Orbit katapultiert - und zu Außenseitern.
Bislang war man davon ausgegangen, dass in der Milchstraße etwa 400 Milliarden solcher einsamen Planeten existieren. Nun haben Astronomen jedoch herausgefunden, dass es noch mehr von ihnen gibt - mehr sogar als die Planeten, die um einen Stern oder Doppelstern kreisen. Wie die Forscherinnen und -Forscher der Nasa sowie der Universität Osaka in zwei Aufsätzen im Fachblatt The Astronomical Journal berichten, fliegen Billionen an "Rogue Planets" durch unsere Heimatgalaxie. Die Forschergruppe, die zur Moa-Kollaboration (Microlensing Observations in Astrophysics) gehört, wertete Daten aus, die ein am Mount John University Observatory in Neuseeland stationiertes Teleskop zwischen 2006 und 2014 aufgenommen hatte. Über 3500 Ereignisse gingen in die Analyse ein, darunter sogenannte Microlensing-Sichtungen von Sternen, Sternenüberresten und Planeten.
Auf einen gebundenen Planeten in der Galaxie kommen etwa sechs Einzelgänger
Konkret konnten zehn Einzelgänger-Planeten durch den Mikrolinseneffekt indirekt nachgewiesen werden, einen Spezialfall des Gravitationslinseneffekts. Hierbei nutzt man aus, dass das Licht zweier oder mehrerer Sterne von vorbeiziehenden, massereichen Objekten, etwa Planeten, für einen Zeitabschnitt so umgelenkt wird, dass die Lichtquellen nicht mehr auseinander gehalten werden können.
Solche Ereignisse spielen sich binnen Minuten bis Jahren ab, je nach Größe der Gravitationslinse, und abhängig davon, wie nahe diese, von der Erde aus gesehen, an den Sternen im Hintergrund vorbeizieht. Diese leuchten dann wie ein einziger, deutlich hellerer Stern. Jene Helligkeitsspitzen haben eine charakteristische Form. Mit Hilfe der detektierten Lichtkurve kann man auf die Masse der Gravitationslinse schließen.
Astronomie:Happy Birthday, Webb
Vor einem Jahr wurde das erste Bild des James-Webb-Teleskops vorgestellt. Eine Sammlung der bisher wichtigsten Aufnahmen.
Genau das taten die Studienautoren: Sie bestimmten die Massen der vorbeigeflogenen Himmelskörper und modellierten deren Verteilung. Es zeigte sich, dass freischwebende Planeten in der Milchstraße ungefähr 20-mal zahlreicher sind als Sterne. Auf einen gebundenen Planeten kommen etwa sechs Einzelgänger, rechnen die Studienautoren vor. Unter diesen Einzelgänger-Planeten wiederum dominieren solche, die ungefähr erdgroß sind, sie treten 170-mal so oft auf wie schwerere, Jupiter-große Planeten.
Sogar eine Einzelgänger-Erde, genannt "MOA-9y-5919", entdeckte die Kollaboration. Bis auf die fast gleiche Masse habe der Himmelskörper aber wenig mit der Erde gemein. Ob auf einem Einzelgänger Leben entstehen könne, sei unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Wasserstoff in dessen Atmosphäre könnte aufgrund des Treibhauseffekts dafür sorgen, dass Wärme aus dem Inneren des Planeten eingefangen wird und Mikroben gedeihen. Allerdings ist es technisch nicht möglich, die Atmosphäre eines Einzelgänger-Planeten näher zu untersuchen.
Weitere Erkenntnisse erhoffen sich Fachleute durch das Nancy-Grace-Roman-Weltraumteleskop der Nasa, das im Mai 2027 starten soll. Ähnlich wie das James-Webb-Teleskop soll es mit Sensoren, die im Infrarotbereich messen, ausgestattet werden, um Exoplaneten aufzuspüren. Auch solche ohne Stern.