Klimawandel:Rekordhitze in der Arktis

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Das Eis schmilzt und schmilzt: Das deutsche Forschungsschiff "Polarstern" am 30. Juni 2020 bei der "Mosaic"-Expedition in die Arktis. (Foto: Markus Rex/dpa)

Rund um den Nordpol werden gerade reihenweise Temperaturrekorde gebrochen. Auch die Bedeckung des Meeres mit Eis hat einen historischen Tiefstand erreicht.

Von Christoph von Eichhorn

Zwischen drei und sieben Grad Celsius kann man normalerweise erwarten, wenn man im Juli nach Spitzbergen reist. Es ist immerhin der wärmste Monat auf der Inselgruppe im Nordatlantik, 1300 Kilometer vom Nordpol entfernt. Vor wenigen Tagen zeigte das Thermometer im Städtchen Longyearbyen indes 21,7 Grad. Der Wert markiert einen neuen Allzeitrekord auf Spitzbergen. Auch noch weiter nördlich, in der zentralen Arktis, ist es gerade außergewöhnlich warm, mit Temperaturen von bis zu zehn Grad über dem langjährigen Mittelwert.

Die Wetterkapriolen bleiben nicht ohne Folgen für die Arktis. Wie das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven mitteilte, hat die Eisbedeckung in der Arktis im Juli einen historischen Tiefstand erreicht. Sechs Millionen Quadratkilometer Meeresfläche sind derzeit noch von Eis bedeckt, 16 Prozent weniger als im Durchschnitt der vergangenen sieben Jahre. Noch nie seit Beginn der Satellitenmessungen gab es damit im Juli so wenig Eis rund um den Nordpol.

38 Grad Celsius nördlich des Polarkreises - ein Rekord

Dass es ein ungewöhnliches Jahr werden würde, zeichnete sich früh im Jahr ab. Schon im Winter beobachteten Forscher der Mosaic-Expedition, dass das Eis ungewöhnlich schnell driftet. Die Klimaforscher, die derzeit auf dem Forschungsschiff Polarstern in der Arktis unterwegs sind, deuteten dies als Hinweis darauf, dass die Eisschollen relativ dünn seien und von Wind und Wellen leicht verschoben werden könnten. Im Mai und Juni dann war es an der ostsibirischen Küste mehr als sechs Grad wärmer als sonst zu dieser Jahreszeit. Am 20. Juni wurden in der russischen Stadt Werchojansk in Jakutien 38 Grad Celsius gemessen, ein neuer Rekord innerhalb des Polarkreises. Die Hitzewelle führte in Russland auch zu einem ungewöhnlich frühen Abschmelzen des Permafrosts sowie zum Ausbruch zahlreicher Brände in Sibirien. Laut einer Analyse von Forschern des World Weather Attribution Project wäre die Hitzewelle ohne den vom Menschen ausgelösten Klimawandel praktisch unmöglich gewesen. Der Klimawandel habe die Wahrscheinlichkeit für so hohe Temperaturen um mehr als das 600-Fache erhöht.

Die Nordostpassage ist derzeit vollständig schiffbar, sonst ist dazu ein Eisbrecher nötig

Infolge der hohen Temperaturen verläuft vor der russischen Arktisküste auch die Eisschmelze dieses Jahr besonders dramatisch. Dort sind derzeit nur noch 1,7 Millionen Quadratkilometer von Eis bedeckt, rund eine Million Quadratkilometer weniger als im langjährigen Durchschnitt. Bereits Mitte Juli öffnete sich die Nordostpassage vollständig - der direkte Seeweg von Europa nach Asien. Normalerweise ist die Route zu dieser Zeit nur mit Eisbrechern schiffbar.

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"So früh im Jahr so viel Wärme in das System zu bringen, beschleunigt und verfrüht das Schmelzen des Eises", wird der Meereisphysiker Marcel Nicolaus vom AWI in einer Mitteilung des Instituts zitiert. Denn eine geringere Eisfläche führt auch dazu, dass weniger Sonnenenergie zurück ins All reflektiert wird. Während helle, weiße Eisflächen die Sonnenstrahlen eher zurückwerfen, absorbieren dunklere Wasseroberflächen vermehrt Hitze, was wiederum die Schmelze beschleunigt.

In diesem Jahr wird das Eis noch mehr als einen Monat lang weiter schmelzen. Erst von September an, wenn die Temperaturen wieder stärker fallen, dehnt sich die Eisfläche in der Arktis für gewöhnlich wieder aus. Ob dann auch ein absoluter Tiefstand der Meereis-Bedeckung erreicht wird, hängt maßgeblich vom Wetter der nächsten Zeit ab. Der Langzeittrend ist hingegen deutlich, die Fläche des Meereises wird in den nächsten Jahrzehnten infolge des Klimawandels weiter zurückgehen. Kürzlich warnte ein Forscherteam rund um Dirk Notz von der Universität Hamburg im Fachblatt Geophysical Research Letters, dass der arktische Ozean mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor dem Jahr 2050 in manchen Sommern komplett eisfrei sein könnte.

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