Raumfahrt:Als die Erde Glück hatte

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Edwin Aldrin bei seinem Spaziergang auf den Mond. (Foto: Nasa/dpa)

Vor der ersten Mondlandung sorgte sich die Nasa, dass die Apollo-Astronauten gefährliche Erreger mitbringen könnten. Nun zeigt sich: Das Quarantäneprogramm hatte große Sicherheitslücken.

Von Christian Weber

Es wäre nur ein kleiner Schritt für die Menschheit gewesen, aber ein sehr großer für die Mondmikroben - wenn es sie denn gegeben hätte. Es wurde als Wunder der Ingenieurskunst betrachtet, dass die Astronauten der Apollo-11-Mission am 24. Juli 1969 nach erfolgreicher lunarer Landung unversehrt auf die Erde zurückkehrten. Übersehen wurde, dass die Geschichte auch unschön für die Erde hätte ausgehen können, dann nämlich, wenn die Mission gefährliche Krankheitserreger mitgebracht hätte. Darauf weist der Wissenschaftshistoriker Dagomar Degroot von der University of Georgetown im Fachmagazin Isis hin.

In den 1960er-Jahren war nämlich keineswegs klar, ob der Mond tatsächlich ein Trabant ohne Leben ist. Noch 1964 hielt die National Academy of Sciences (NAS) eine hochrangig besetzte Konferenz ab, um die Gefahren einer Kontamination zu diskutieren. "Sie kamen überein, dass das Risiko real sei und die Konsequenzen gewaltig sein könnten", sagte Degroot der New York Times. Man nahm an, dass lunare Mikroben der Menschheit im schlimmsten Fall ähnlich gefährlich werden könnten wie einst die Viren der Europäer den indigenen Völkern Amerikas. Tatsächlich steckten die US-Amerikaner mehr als 100 Millionen Dollar in präventive Maßnahmen. Und gab es nicht die Bilder aus dem abgeschirmten Lunar Receiving Laboratory, in das die Astronauten und das mitgebrachte Material in Quarantäne gebracht wurden?

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Die Sicherheitsmaßnahmen seien weitgehend Show gewesen, urteilt Degroot, der sich durch bislang unerschlossene Akten des Apollo-Programms gewühlt und diverse Sicherheitslücken entdeckt hat. "Trotz dieser wunderschönen Komplexität gab es zahlreiche grundlegende Fehler."

Schon, dass die Raumkapsel einfach aus dem Meer gefischt wurde und die Astronauten deren Luke öffneten, sei fahrlässig gewesen. Im Quarantänelabor selbst habe es Sicherheitslücken und Pannen gegeben. So wurden 24 Mitarbeiter mit Mondmaterial kontaminiert und mussten ebenfalls in Quarantäne geschickt werden. Inspektionen fanden Risse und Lecks in isolierten Handschuhboxen und Druckbehältern. Auch in Notfällen, bei Feuer oder medizinischen Krisen, wäre es zu Kontaminationen gekommen.

"Wenn es lunare Organismen gegeben hätte, die sich im Ozean vermehren können, wären wir gegrillt worden", gesteht John Rummel, einst ein für planetare Sicherheit zuständiger Nasa-Beamter der New York Times. "Das Quarantäne-Programm sah nur deshalb wie ein Erfolg aus, weil es nicht gebraucht wurde", schreibt Degroot. Offenbar glaubten bereits die Teilnehmer der NAS-Konferenz nicht, dass wirklicher Schutz möglich sei: "Maßnahmen gegen eine Kontamination müssen davon ausgehen, dass es eine Infektion der Erde geben wird, wenn sie überhaupt möglich wäre", zitiert Degroot aus den Akten.

Auch wenn die Nasa verspricht, bei künftigen Mars-Missionen mehr Vorsicht walten zu lassen, Dagomar Degroot warnt: "Die wichtigste Botschaft meiner Studie ist, dass große Risiken bei nur geringer Eintretenswahrscheinlichkeit von Institutionen und wissenschaftlichen Netzwerken runtergespielt werden, wenn dahinter nur starke Motive und Machtdynamiken stehen."

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