Abtreibung:Raus aus der Schmuddelecke

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In den USA gibt es kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. (Foto: imago stock&people/imago/Westend61)

Beim Blick auf die USA bekommt man gerade Krämpfe im Unterleib. Aber dabei darf man nicht vergessen: Auch in Deutschland wird die Situation für Frauen, die abtreiben wollen, immer schlechter.

Kommentar von Christina Berndt

Der Blick in die USA löst gerade Krämpfe im Unterleib aus. Denn dort sorgen die Republikaner dafür, dass Frauen in vielen Bundesstaaten bald kein Recht auf Abtreibung mehr haben werden. Es fühlt sich so an, als würden die Frauenrechte um 100 Jahre zurückgedreht. Nicht ganz Taliban, aber fast.

Allerdings sollte das Unbehagen über die USA nicht davon ablenken, dass es um das Recht von Frauen auf Abtreibung auch in Deutschland nicht gut bestellt ist. Schwangere finden oft nur noch mit Mühe einen Arzt, der den Abbruch vornimmt. Mehr als 50 Jahre ist es her, dass Frauen im Stern "Ich habe abgetrieben" bekannten und die Streichung des Paragrafen 218 forderten. Doch noch immer sind Abtreibungen hierzulande anders als fast überall in Westeuropa verboten, nur sieht der Gesetzgeber unter gewissen Umständen - Ableisten eines Beratungsgesprächs, Abbruch binnen einer Frist, Vergewaltigung, Krankheit - von einer Strafverfolgung ab.

Verbote sprechen Frauen die Fähigkeit ab, selbständig zu entscheiden

Dieses fragwürdige Konstrukt einer straffreien Straftat kriminalisiert Frauen und ihre Ärztinnen und Ärzte nicht nur; Abtreibungen bleiben zudem mit dem Nimbus des Bösen behaftet. Auch deshalb gibt es immer weniger Ärzte und Kliniken, die welche vornehmen, ihre Zahl ist in zehn Jahren um 40 Prozent zurückgegangen, in ganz Deutschland, von Nord bis Süd: In Flensburg soll es nach einer Klinikfusion bald nur noch in medizinischen Notfällen Abbrüche geben, in Passau hat gar der Stadtrat Abtreibungen im städtischen Klinikum nach der Beratungsregel untersagt. So werden noch weniger Ärzte den Eingriff erlernen und anbieten. Ganz anders in Schweden, wo Abtreibungen ein ganz normaler Teil in der Ausbildung und im Berufsleben von Gynäkologinnen und Gynäkologen sind.

Es ist zweifelsohne wichtig, dass es möglichst wenige Abtreibungen gibt, das ist auch im Sinne der Frauen. Aber es entblößt die grundsätzliche Haltung eines Staates gegenüber Frauen, wie dafür gesorgt wird; ob dabei für oder gegen die Frauen gearbeitet wird. Abtreibungsverbote sprechen Frauen die Fähigkeit ab, über Fragen, die ihre Gesundheit, ihren Körper, ihre Familie und ihr Leben betreffen, selbständig und verantwortungsvoll zu entscheiden. Sie verhindern nicht einmal Abtreibungen, wie internationale Vergleiche zeigen, sie erhöhen nur die Risiken und das Leid.

Es ist Zeit, dass die Gesellschaft Schwangerschaftsabbrüche als etwas akzeptiert, das in aller Welt und zu allen Zeiten zum Leben von Frauen dazugehörte und gehört - ebenso wie Geburten und wie Krankheiten. Es gilt, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, aber wenn es dazu kommt, muss medizinische Hilfe da sein.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, der Stadtrat habe Abtreibungen im Städtischen Klinikum in Passau untersagt. Das Verbot betrifft allerdings nur Abbrüche nach der Beratungsregel. Wenn das Leben der Mutter oder des Kindes in Gefahr ist, werden an dem Klinikum Abtreibungen vorgenommen.

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