Alexander Gerst:Raumfahrer, Geophysiker, Social-Media-Star

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Am Donnerstag landete Alexander Gerst mit einer Sojus-Raumkapsel wieder auf der Erde. (Foto: dpa)
  • Der deutsche Astronaut Alexander Gerst ist an diesem Donnerstag an Bord einer russischen Sojus-Kapsel zur Erde zurückgekehrt.
  • Gersts Lehrzeit führte von Köln über Houston bis ins Sternenstädtchen bei Moskau, wo er für den Aufenthalt im Weltraum trainierte.

Von Patrick Illinger

Anders als zu Zeiten des Gemini- oder Apollo-Programms werden Astronauten heute nicht mehr aus den Cockpits militärischer Überschalljets rekrutiert. So hat sich auch Alexander Gerst, geboren am 3. Mai 1976 in Künzelsau, mit 8400 weiteren Menschen auf eine schlichte Stellenanzeige beworben. Und es hat geklappt. Sein Arbeitgeber, die europäische Raumfahrtagentur Esa, nahm ihn 2009 ins Training auf. 2014 flog Gerst für ein halbes Jahr zur Raumstation ISS. Und nachdem er dort monatelang als Junior-Crewmitglied unter anderem für das ordnungsgemäße Funktionieren der Toiletten zuständig war, durfte Gerst im Juni dieses Jahres erneut zur ISS starten und die Station sogar drei Monate lang als Kommandant befehligen. An diesem Donnerstag ist er an Bord einer russischen Sojus-Kapsel wohlbehalten zur Erde zurückgekehrt.

Keine Frage, zur Jobbeschreibung eines Astronauten gehört bis heute eine kräftige Portion jenes Draufgängertums, das schon Raumfahrtpioniere wie Neil Armstrong und John Young auszeichnete. Auch ist körperliche Fitness eine Voraussetzung. Gerst zum Beispiel läuft, schwimmt, fährt Snowboard und ficht (wobei man hoffen darf, dass Kampfkünste für das Leben in einer Raumstation keine Rolle spielen). Der 42-Jährige ist aber auch Wissenschaftler und - wichtig in Zeiten multimedialer Durchleuchtung - ein Sympathieträger.

Forscher, Fotograf, Social-Media-Star

Als Geophysiker hatte Gerst bereits viel von der Erde gesehen, bevor er sie vom Orbit aus betrachten durfte. Schon als Student begann er, in unterschiedlichen Weltgegenden zu forschen. Er bereiste die Antarktis, Neuseeland, Äthiopien und den Ätna, alles notorische Hotspots, an denen die Erde ihr heißes Innenleben zur Schau stellt. Dabei erkundete Gerst den Planeten nicht nur forschend, sondern auch mit künstlerischer Ambition und einigem Geschick fürs Fotografieren. Das passt zu einem weiteren Kompetenzbereich, der für die Auswahl von Raumfahrern eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Die sündteuren Aktivitäten im All müssen auch transparent, ja schmackhaft gemacht werden - nicht zuletzt den Steuerzahlern dieser Welt. In dieser Hinsicht kommen Gersts Fotografien ebenso zupass wie seine sozialmedialen Auftritte als @Astro_Alex. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft hat ihm in diesem Jahr die Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik zuerkannt.

Trotz aller medialer Aufmerksamkeit ist aus Alexander Gerst keine Kunstfigur geworden; er ist ein, die schräge Metapher sei erlaubt, bodenständiger Mensch mit charmantem Lächeln geblieben. Ein Blender hätte auch kaum Chancen, das anspruchsvolle Training zum Astronauten zu überstehen. Von Köln über Houston bis ins Sternenstädtchen bei Moskau führte Gersts Lehrzeit. Dort übte er im Juri-Gagarin-Trainingszentrum monatelang Abläufe, die im All als gewöhnlich gelten, etwa das hochkomplizierte Andocken einer Raumkapsel an die ISS. Er probte aber auch für außergewöhnliche Vorkommnisse: Im Notfall muss jedes Besatzungsmitglied in der Lage sein, die 2,7 Meter große Sojus-Raumkapsel, derzeit das einzige Vehikel für den Personentransport zur ISS, von Hand zurück zur Erde zu steuern.

Auf seiner soeben zu Ende gegangenen Mission "Horizons" trat glücklicherweise keines der Notfallszenarien ein. Gerst musste lediglich einige Tage länger als vorgesehen im Orbit bleiben. Zu den unvorhergesehenen Zwischenfällen seiner Zeit im All zählt eine Unterhaltung zwischen Gerst und einem Besatzungsmitglied, die auf lustige Weise entgleiste. Gesprächspartner war ein kugelförmiger Roboter namens Cimon. Als Gerst das schwebende Gerät etwas anders positionieren will, sagt Cimon: "Sei nett, bitte." Gerst muss kichern. Daraufhin Cimon: "Magst du es nicht, hier mit mir?" Gerst kann sich das Lachen nicht verkneifen, woraufhin die künstliche Intelligenz sich ernsthaft beleidigt gibt: "Sei nicht so gemein zu mir."

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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