Wirtschaftsforum in Davos:Chinas zwei Gesichter

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Bei seiner Ankunft beim Weltwirtschaftsforum in Davos begrüßte Chinas Präsident Xi Jinping einige Kinder am Bannhof. (Foto: AP)
  • Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping ist der Stargast beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
  • Nach der Wahl in den USA hat China plötzlich die Chance, sich politisch weltweit noch besser zu positionieren.
  • Doch während es sich der Welt als guter Partner präsentiert, wird in China kritisches Denken bestraft und der Westen als neuer Feind dämonisiert.

Von Kai Strittmatter

Ist das die Stunde Chinas? Das Weltwirtschaftsforum in Davos wird am Dienstag als Stargast Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping präsentieren. Es ist das erste Mal, dass ein chinesischer Präsident dort auftritt. Ein historischer Moment umso mehr, als wenige Tage später in Washington Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird. Ein Mann, der auf wüsten Populismus setzt, dessen Markenzeichen Attacken sind auf "die Eliten" und den freien Welthandel der vergangenen Jahrzehnte, auf vieles also, wofür Davos steht.

Trumps Wahl, der Brexit, ein von Rechtspopulisten, Krisen und Selbstzweifeln gelähmtes Europa - die alte Weltordnung scheint sich aufzulösen. Thesen vom schleichenden Niedergang des Westens machen in China spätestens seit der Weltfinanzkrise von 2008 die Runde. Mit der Wahl Trumps erscheinen die USA in ihrer traditionellen Rolle als globale Führungsmacht an einem Wendepunkt. Trump steht für Unberechenbarkeit und Aggressivität, und vor allem hat er einen Rückzug der USA angekündigt aus internationalen Handels- und Klimaschutzvereinbarungen.

"Die USA schaffen Raum, und zwar für China überraschend viel früher als gedacht", sagt Sebastian Heilmann, Direktor der China-Denkfabrik Merics in Berlin. "Für China ist das eine Riesenchance. Peking will die Globalisierung nun im eigenen Sinne führend mitgestalten." Davos ist für Peking eine ideale Bühne, um seine Agenda voranzutreiben. China hat in den vergangenen Jahren von der Globalisierung profitiert wie vielleicht kein zweites Land. Aber China will die Spielregeln anders gestalten, sieht sich auf den Kapitalmärkten oft nicht gerecht behandelt.

USA
:China warnt Trump vor Kurswechsel in Taiwan-Politik

Seit 1979 akzeptieren die USA die "Ein-China-Politik" und sprechen nicht mehr mit Taiwan. Nun bricht der künftige US-Präsident diese Ordnung auf. Peking zeigt sich "sehr besorgt".

Es gibt Felder, auf denen China die Bereitschaft zu globaler Zusammenarbeit demonstriert. Bei der Gesundheitspolitik etwa oder beim Klimaschutz. China deshalb zum neuen Vorreiter des Weltklimaschutzes auszurufen, ist allerdings zu viel der Euphorie. Das Land ist noch immer mit Abstand der weltgrößte Produzent von Klimagasen. In anderen Kommentaren, die man jüngst lesen konnte, wird Peking schon als neuer "Bannerträger des freien Welthandels" beschworen. Auch das ist eine These, die mit der Realität nicht viel zu tun hat.

Klar ist: Das Land ist eine Macht geworden, und es hat nun den Anspruch, seine Weltgeltung auch zu demonstrieren. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde ist China schon seit einiger Zeit. Mit einem Mal geht es nun aber auch selbst auf Einkaufstour: Die Auslandsinvestitionen Chinas stiegen im vergangenen Jahr schon wieder im Rekordtempo. Die Firmen, die Xi Jinping nach Davos begleiten, unterstreichen den neuen globalen Anspruch chinesischer Akteure: Jack Mas E-Commerce-Gigant Alibaba ist dabei oder Wang Jianlins Wanda-Konzern, der gerade Teile Hollywoods aufkauft.

Pekings Propaganda stellt seit der Wahl Trumps mit einiger Genugtuung China als einzig zuverlässigen Wachstumslieferanten dar und seine Politik als ein weises System, in dem der Populismus keine Chance hat. Präsident Xi, schreibt die Financial Times, werde versuchen, sich in Davos zu empfehlen als "einer der wenigen verantwortungsbewussten Erwachsenen, die auf der internationalen Bühne verblieben sind". Tatsächlich zeigt China seit einigen Jahren, dass es auf dieser Bühne aktiv mitspielen möchte, und treibt Flaggschiffprojekte voran wie die Asiatische Infrastruktur-Investmentbank oder die Neue Seidenstraße.

China geht es vor allem um nationale Interessen

Ein Blick auf die Ausgestaltung dieser Projekte macht aber auch klar, dass es China noch immer vor allem um seine nationalen Interessen geht. Das ist natürlich nicht verwerflich. Wenn sich aber einer mit schönen Worten als neuer Wächter über die Regeln für die Weltordnung anbietet, dann hülfe es schon, wenn er sich selbst an die Regeln hielte und fair spielte. Das ist bei China oft nicht der Fall. Ein eklatantes Beispiel ist der Schiedsspruch am Ständigen Schiedshof in Den Haag vom vergangenen Jahr, der Chinas Territorialansprüche im Südchinesischen Meer großteils für nichtig erklärte - und den China schlicht ignoriert.

Aber auch Pekings Agieren in der Wirtschaft bietet Anschauungsmaterial. Ein Beispiel ist der Masterplan "Made in China 2025", der das Land in der Produktion zu einer Hightech-Supermacht machen soll. Eine eben erschienene Studie der Denkfabrik Merics kommt zu dem Schluss, Chinas Vorgehen dabei stehe "für das exakte Gegenteil" von freiem Markt und fairem Wettbewerb: Der eigene Markt wird abgeschottet, ausländische Wettbewerber werden systematisch behindert, und gleichzeitig sorgt eine offenbar zentral gesteuerte weltweite Politik des Aufkaufs von Hightech-Firmen über "stark undurchsichtige Investorennetzwerke" dafür, dass mittlerweile vielerorts die Alarmglocken klingeln.

Überhaupt: Im Vorfeld von Davos beklagt China den neuen "Protektionismus" und ist selbst doch das beste Beispiel für eine Wirtschaft, die in zentralen Geschäftsfeldern ihre ausländischen Wettbewerber blockiert und von echter Marktteilhabe ausschließt. Tatsächlich sinken die europäischen Investitionen in China deshalb seit mehreren Jahren.

China könnte sich selbst und der Welt helfen, wenn es zu Hause seine oft marode Staatsindustrie aufbräche, wenn es den Markt öffnete und der Privatwirtschaft mehr Chancen gäbe. Xi Jinping war 2013 mit einem ebensolchen Reformversprechen angetreten. Allein: Die Reform ist bislang ausgeblieben. Und das liegt auch daran, dass die KP einen Kontrollverlust fürchtet - unter Xi Jinping mehr denn je. China selbst wird im Moment von Jahr zu Jahr weniger weltoffen. Xi zieht alle Macht an sich, in Politik und Gesellschaft verlangen seine Leute totale Kontrolle und unbedingte Loyalität.

Die Propaganda forciert eine Reideologisierung, kritisches Denken wird bestraft, der Westen wird mehr und mehr als neuer Feind dämonisiert. Xis Auftritt in Davos ist also reich an Ironien, und nicht die geringste wird sein, dass man in den Schweizer Bergen einen Schulterschluss beobachten darf zwischen dem kommunistischen China und den alten Eliten, die derzeit überall auf der Welt dem Ansturm der Unzufriedenen ausgesetzt sind.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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