Klimaschutz:Windrad-Stau bedroht Energiewende

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Viele Windkraftprojekte verzögern sich - doch das schreckt auch Investoren ab. (Foto: picture alliance/dpa)
  • In ganz Deutschland können zurzeit mehr als 2100 Windräder nicht gebaut werden.
  • Grund dafür sind häufig Einwände von Behörden, zunehmend landen die Projekte aber auch vor Gericht.
  • Das erste Quartal war das "ausbauschwächste erste Quartal des Jahrtausends" - dabei sollen erneuerbare Energien eigentlich ein Eckpfeiler des Klimaschutzes in Deutschland werden.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Während die Bundesregierung fieberhaft über Klimaschutz und CO₂-Preise debattiert, gerät die Energiewende beim Strom zunehmend in Schwierigkeiten. Bundesweit können derzeit mehr als 2100 Windräder nicht gebaut werden, weil Gerichte oder Behörden Einwände erhoben haben. Das geht aus einer Umfrage der Fachagentur Windenergie an Land hervor.

Danach können derzeit 1000 Anlagen mit insgesamt 4800 Megawatt Leistung nicht errichtet werden, weil sie nach Auffassung der Flugsicherung ein Funkfeuer beeinträchtigen könnten. Über die Frage, inwieweit Windräder tatsächlich die Navigation von Flugzeugen beeinträchtigen können, wird unter Experten seit Jahren gestritten. Einstweilen lassen die Behörden aber große Vorsicht walten. Allein ein Funkfeuer beim rheinischen Düren vereitelt zurzeit 700 Megawatt Windkraft. Wenn der Wind weht, entspricht das der Leistung eines Steinkohlekraftwerks. Gegenüber der letzten Umfrage vor drei Jahren hat sich die Zahl der betroffenen Projekte bundesweit verdoppelt.

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Weitere 900 Windräder stoßen bei der Bundeswehr auf Vorbehalte - etwa, weil sie Tiefflugkorridore betreffen oder die Radarüberwachung beeinträchtigen könnten. Gesamtleistung der betroffenen Windräder: 3600 Megawatt, überwiegend in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Und schließlich landen Projekte zunehmend vor Gericht. Der Umfrage zufolge betrifft dies derzeit 325 Windturbinen, von denen 100 schon errichtet sind. In rund der Hälfte der Fälle geht es bei den Klagen um Naturschutz, also etwa die Lebensräume von Vogel- oder Fledermausarten. Kläger sind in fast zwei Drittel der Verfahren Umwelt- oder Naturschutzverbände. "Inwieweit in den Rechtsstreitigkeiten Argumente des Artenschutzes stellvertretend für eine potenziell windkraftkritische Motivation angeführt werden, lässt sich aus den Rückmeldungen nicht ablesen", heißt es in der Auswertung der Fachagentur.

"Ausbauschwächstes erstes Quartal des Jahrtausends"

Die Agentur, die von Bund, Ländern und Verbänden getragen wird, warnt schon länger vor einem Einbruch beim Ökostrom-Ausbau. Das erste Quartal dieses Jahres bezeichnete sie unlängst als das "ausbauschwächste erste Quartal des Jahrtausends". Auch bei den Ausschreibungen des Bundes registrierte sie zuletzt massive Rückgänge. Windkraft-Projekte können sich bei diesen Ausschreibungen um Förderung bewerben. In der Theorie soll das dazu führen, dass nur die Projekte zum Zuge kommen, die zu besonders günstigen Konditionen Windstrom erzeugen, also wenig Förderung brauchen. Faktisch aber war die jüngste Ausschreibung im vorigen Mai auch jene, die am stärksten unterzeichnet war. 650 Megawatt waren ausgeschrieben, aber zugelassene Gebote gab es nur für 270 Megawatt. Die Bundesnetzagentur konstatierte seinerzeit eine "neue besorgniserregende Dimension" beim Niveau des Wettbewerbs. Der Auswertung der Fachagentur zufolge sind es allerdings häufig auch Klagen, die potenzielle Bieter zurückschrecken lassen.

Dabei sollen gerade erneuerbare Energien ein Eckpfeiler des Klimaschutzes in Deutschland werden - die Bundesregierung plant beim Strom bis 2030 einen Anteil von 65 statt derzeit 36 Prozent. Dieser Wert aber rücke angesichts wachsender Hindernisse in die Ferne, warnt deren Energieexperte Jürgen Quentin. "Wenn die Entwicklung sich so fortsetzt", sagt er, "werden wir das Ziel für 2030 kaum erreichen können." Der Bundesverband Windenergie (BWE) geht noch weiter. "Ohne diese blockierten Windenergieprojekte sind die Pariser Klimaschutzziele nur schwerlich zu halten", sagt BWE-Präsident Hermann Albers.

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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