Erneuerbare Energie:Kretschmann fürchtet um Windkraft-Offensive

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Windräder in den Schwäbisch-Fränkischen Waldbergen. Sie dort aufzubauen ist deutlich teurer als beispielsweise im norddeutschen Flachland. (Foto: Martin Rügner /imago images/Westend61)

Windräder in Süddeutschland sind deutlich teurer als im norddeutschen Flachland. Eine Quote soll helfen. Aber sie braucht noch grünes Licht aus Brüssel - und die Kanzlerin macht wenig Hoffnung.

Von Michael Bauchmüller und Claudia Henzler, Berlin/Stuttgart

Sebastian Grosch weiß, was ein Windrad im Süden Deutschlands bedeutet. Ein Rotorblatt in den Schwarzwald zu bugsieren, statt es irgendwo im norddeutschen Flachland zu installieren, das kostet. "Entweder muss man erst einmal in unwegsamem Gelände Wege aus- oder sogar neu bauen. Oder man braucht spezielle Wagen, die die teils über 80 Meter langen Rotorblätter aufrichten, damit man auf den engen Straßen um die Kurve kommt." Grosch ist bei der Bremer Windpark-Firma WPD für die nationale Projektentwicklung zuständig. Wer im Süden ein Windrad bauen wolle, das will Grosch mit seinem Beispiel illustrieren, der müsse für den Strom mehr Geld bekommen, damit es sich rechnet.

So dachte sich das auch der Gesetzgeber, als er bei der letzten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eine spezielle Quote für süddeutsche Windparks einführte: die Südquote. Sie folgte der neuen Logik des Ökostrom-Gesetzes, nach der Ausschreibungen über die Höhe der Vergütungen entscheiden. Alle Projekte können sich um solche Vergütungen bewerben, die Gebote mit den niedrigsten Ansprüchen gewinnen. Weil bei diesem Verfahren aber Projekte in schwierigem Gelände das Nachsehen haben, sollen 2022 und 2023 jeweils 15 Prozent der Ausschreibungen für Projekte aus dem Süden reserviert sein. Nötig ist der Strom schließlich im Süden auch, und die großen Nord-Süd-Netze fehlen noch. Die Sache hat nur einen Haken: Sie verlangt die beihilferechtliche Zustimmung der EU. Und 2022 ist gar nicht mehr so fern.

In Baden-Württemberg sind 2020 nur zwölf neue Windräder gebaut worden

Mitte Juli klopfte deshalb Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Bundeskanzleramt an und bat um Unterstützung, doch die Antwort war nach SZ-Informationen nicht sonderlich ergiebig. Jedenfalls konnte die Kanzlerin keine kurzfristige Genehmigung in Aussicht stellen. Neue Projekte müssten sich im Zweifel im bundesweiten Wettbewerb behaupten. In Stuttgart verursacht das einige Aufregung. Denn Kretschmann steht unter Druck. Er muss sich immer wieder fragen lassen, warum in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren so wenig Windkraftanlagen errichtet wurden.

Kretschmann sieht die Schuld dafür vor allem in Berlin: "Die große Koalition hat mit ihrer EEG-Reform 2017 dafür gesorgt, dass die Windkraft im gesamten Bundesgebiet drastisch eingebrochen ist und im Süden des Landes viel zu wenige Windkraftanlagen gebaut werden", sagt er. "Man kann den Ländern doch nicht die Beine zusammenbinden und dann darüber lamentieren, dass sie keine großen Sprünge machen." Erst durch den Einsatz Baden-Württembergs sei die Südquote entstanden. Dass mögliche Investoren nun weiter auf Brüssel warten müssen, sei "auch aus wirtschaftspolitischer Sicht fatal."

Immerhin bleibt aber noch etwas Zeit. Die ersten Gebotstermine, zu denen die Südquote zum Tragen käme, sind Anfang Februar für Windprojekte und Anfang März für Biomasse. Man stehe mit der EU-Kommission in "engem Austausch und in Verhandlungen", heißt es aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium. Diese Gespräche liefen noch. "Allen Beteiligten ist aber bewusst, dass sie rechtzeitig vor diesen Gebotsterminen abzuschließen sind."

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