Von Davos nach Singapur:Das Weltwirtschaftsforum zieht um

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WEF-Gründer Klaus Schwab (links) begrüßte im Januar dieses Jahres US-Präsident Donald Trump in Davos. Jetzt hofft er, dass nächstes Jahr Nachfolger Joe Biden kommt. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Das Manager- und Politikertreffen soll im kommenden Jahr nicht in der Schweiz, sondern in Singapur stattfinden. Ein freier Meinungsaustausch ausgerechnet in dem autoritären Stadtstaat?

Von Caspar Busse, München

Es ist seit inzwischen 50 Jahren Tradition: An ein paar Januartagen wird Weltpolitik nicht in Washington, Peking, Moskau oder Berlin gemacht, sondern in den Schweizer Bergen. Dann treffen sich in Davos hochrangige Manager, Politiker und Wissenschaftler aus aller Welt, diskutieren über den Lauf der Dinge und bestimmen die Schlagzeilen - die schneebedeckten Gipfel immer im Hintergrund. Das wenig bescheidene und selbstherrliche Ziel des Weltwirtschaftsforums und seines Gründers Klaus Schwab: "Den Zustand der Welt verbessern."

Doch wegen der Corona-Pandemie ist nun alles anders: Im Januar 2021 soll es nur ein kleines virtuelles Treffen geben. Die große Jahrestagung werde dann live im Mai 2021 stattfinden, im weitläufigen Marina Bay Sands Hotel in Singapur, teilten die Veranstalter des World Economic Forum (WEF) jetzt mit. Das Forum lebt vom freien Austausch, davon, dass alle ihre Meinung frei sagen können und die Teilnehmer aus aller Welt zusammenkommen. Und das soll nun ausgerechnet in dem asiatischen Stadtstaat stattfinden, der vor allem für sein autoritäres Regime bekannt ist?

Hier soll das Jahrestreffen stattfinden: Das imposante Marina Bay Sands Hotel in Singapur. (Foto: ROSLAN RAHMAN/AFP)

In der Tat ist das reiche Singapur bisher wenig betroffen von der Covid-Pandemie. Ähnlich wie in China setzen die Behörden alle Schutz- und Hygienemaßnahmen rigoros mit großer Härte durch, die Freiheit und Privatsphäre des Einzelnen gilt wenig. In der Schweiz, die bislang eine vergleichsweise liberale Politik verfolgt, sind dagegen die Ansteckungszahlen sehr hoch. Eigentlich war erst vor wenigen Monaten das Treffen von Davos nach Luzern verlegt worden, es sollte auch ein Signal für den Standort Schweiz sein. Doch in den vergangenen Wochen haben offenbar viele mögliche internationale Teilnehmer signalisiert, dass sie angesichts der Situation nicht in die Schweiz oder nach Europa reisen würden - wegen der angespannten Covid-Situation. Für die Schweiz ist das durchaus ein herber Imageverlust - wer soll in der Schweiz noch Urlaub machen, wenn selbst das WEF das Land verlässt?

"Die Entscheidung ist mit Blick auf die Sicherheit aller Teilnehmer und der Gastgeber gefallen", teilte WEF-Gründer Schwab nun mit. Und er warb: "Ein Gipfel der globalen Führungskräfte ist von entscheidender Bedeutung, um zu erörtern, wie wir uns gemeinsam erholen können." Ohnehin wird es nur ein deutlich reduziertes Jahrestreffen werden. Waren in Davos zuletzt immer bis zu 3000 Teilnehmer vor Ort, wird nun mit lediglich 800 bis 1000 gerechnet, maximal bis zu 1500. Die Veranstalter hoffen darauf, dass der neu gewählte US-Präsident Joe Biden kommt, in diesem Januar hatte noch Donald Trump das WEF als große Bühne genutzt. Singapur ist für Teilnehmer aus Asien gut zu erreichen, von Europa und Nordamerika ist der Weg dagegen weiter. Schon in der Vergangenheit haben bereits einige der vielfältigen regionalen Foren des WEF in Singapur stattgefunden.

Davos in den Bergen von Graubünden steht einmal im Jahr im Fokus der Weltpolitik. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Seit seiner Gründung im Jahr 1971 hat sich das WEF, das als gemeinnützige Stiftung mit Hauptsitz in Genf organisiert ist, ohnehin zu einer Gewinnmaschine entwickelt. Das Forum finanziert sich vor allem durch die Unterstützung der Wirtschaft. Es gibt 120 strategische Partner, darunter auch deutsche Konzerne, der jährliche Mindestbeitrag liegt bei etwa 600 000 Franken. Normale Förderer zahlen etwa die Hälfte, daneben gibt es einfache Mitglieder, die mit deutlich weniger dabei sind. Die Sponsoren erhalten dafür Zugang zu den Treffen, teilweise auch Plätze in den Diskussionsforen sowie weitere Informationen. Trotz der hohen Preise gibt es eine Warteliste.

Das große Jahrestreffen fand in den vergangenen 50 Jahren immer in Davos statt, nur im Jahr 2002, nach den Anschlägen auf das World Trade Center, traf man sich aus Solidarität in New York - und kehrte danach wieder nach Davos zurück. Doch zuletzt gab es immer wieder auch Kritik an dem Standort. Die Preise in Davos sind hoch, die Hoteliers und die Vermieter von Ferienwohnungen nehmen hoffnungslos überhöhte Preise. "Die Preistreiberei ist eine Belastung", warnte Schwab im vergangenen Sommer und forderte Hotelzimmer und Unterkünfte zu akzeptablen Preisen: "Falls wir diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sehen, müssten wir schweren Herzens nach einem anderen Standort Ausschau halten."

Jetzt geht es ins noch teurere Singapur - wegen Corona. Es sei aber der "feste Plan", im Januar 2022 nach Davos zurückzukehren, betonte ein WEF-Sprecher.

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