VW:Der Deal beim Dieselskandal

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Hans Dieter Pötsch (li.), Vorsitzender des Aufsichtsrats der Volkswagen AG, und Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. (Foto: dpa)

Volkswagen zahlt Millionen, damit die Justiz ihre Ermittlungen gegen Vorstandschef Diess und Aufsichtsratschef Pötsch wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation einstellt.

Von Max Hägler und Angelika Slavik, Hamburg

Das falsche Timing kann mitunter fatale Auswirkungen haben, das gilt für den Job wie für das Leben insgesamt. Bei Herbert Diess waren es 19 Arbeitstage, die über sein Schicksal hätten entscheiden können. 19 Arbeitstage, die ihn, im schlimmsten Fall, ins Gefängnis hätten bringen können. Es ist anders gekommen: Die 19 Tage werden nun einfach sehr, sehr teuer. Sie kosten Millionen.

Das Strafverfahren wegen möglicher Marktmanipulation im Zusammenhang mit der Dieselaffäre gegen den VW-Konzernchef Herbert Diess soll eingestellt werden, gleiches gilt für den Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Voraussetzung: Der Konzern überweist neun Millionen Euro, um seine zwei wichtigsten Führungspersönlichkeiten vor weiteren Ermittlungen zu schützen. Das ist der Deal mit der Justiz, über den Dienstagabend zunächst das Manager Magazin berichtete.

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Diess und Pötsch waren im September vergangenen Jahres angeklagt worden - die Ermittler warfen ihnen vor, die Aktionäre nicht rechtzeitig über den Abgasskandal informiert zu haben. Dass VW Millionen Diesel-Fahrzeuge manipuliert hat und damit für den wohl größten Industriebetrug der deutschen Nachkriegsgeschichte verantwortlich ist, wurde im September 2015 durch die Mitteilung US-amerikanischer Behörden bekannt. Aber schon am 27. Juli 2015 soll bei einem sogenannten "Schadenstisch" in Anwesenheit von VW-Vorstandsmitgliedern die Diesel-Problematik besprochen worden sein. Damals hatte Herbert Diess, zuvor Manager bei BMW, gerade seinen 19. Arbeitstag als Vorstandsmitglied bei Volkswagen. Hätte er einen Monat später bei dem Konzern angefangen, hätte ihm niemand vorwerfen können, von dem Betrug - der unzweifelhaft vor seiner Ära bei VW begonnen hat - gewusst zu haben. So aber wurde die Frage, was Diess an Arbeitstag 19 gehört, gesagt und verstanden hat, zu einer Frage von fundamentaler Bedeutung - sowohl für ihn persönlich als auch für den Konzern, den er seit April 2018 als Vorstandschef führt.

Denn neben den zahlreichen Verfahren wegen der Dieselmanipulation an sich ist die Sache eben auch aktienrechtlich von Bedeutung. Als der Betrug öffentlich wurde, stürzte die Aktie ab. Ob die Anleger früher über die Probleme informiert hätten werden müssen, ob sie früher informiert werden hätten können und wenn ja von wem - diese Aspekte standen im Fokus dieser Ermittlung.

Man begrüße die Einstellung des Verfahrens, ließ sich der VW-Aufsichtsrat zitieren. Der Vorstandschef Diess aber soll dem Vernehmen nach nur mäßig begeistert von der Einigung sein, heißt es aus seinem Umfeld. Man hätte das Verfahren lieber durchgefochten, um seine Unschuld zu beweisen, sagt sein Anwalt Tido Park der SZ. Schließlich seien aber "pragmatische und prozessökonomische" Aspekte wichtiger gewesen. Auch der Anwalt von Aufsichtsratschef Pötsch entwirft das Bild eines Mannes, der "das Unternehmensinteresse priorisiert" und nur deshalb nicht für seinen Freispruch kämpft. Die Einigung mit der Justiz ist kein Schuldeingeständnis, sie wird auch in diversen Zivilverfahren, sei es von Autofahrern oder Aktionären, den Klägern wohl nicht nützen. Aber klar ist: Der Konzern will Diess und Pötsch auf keinen Fall auf einer Anklagebank sehen.

Während die beiden noch aktiven Manager also vom Konzern aus dem Ermittlungsverfahren rausgekauft werden, ist die Lage beim früheren VW-Chef Martin Winterkorn grundlegend anders. In seinem Fall soll es bisher keine Einigung über ein Verfahrensende unter Auflagen geben. Am Tag der Anklage hatte Winterkorns Anwalt die Vorwürfe zurückgewiesen: Winterkorn habe "keine frühzeitige Kenntnis" von den Manipulationen gehabt.

Das Verhältnis zwischen Winterkorn und dem Konzern gilt als zerrüttet. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt außerdem gegen ihn wegen Betrugsverdachts.

© SZ vom 20.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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