Wohnungskonzern:Wie Vonovia seinen Fachkräftemangel beheben will

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Konstantina Kanellopoulos (li.) von Vonovia mit Fredy Molano, der im Konzern als Elektriker anfängt. (Foto: Kai Uwe Oesterhelweg/Vonovia)

Vonovia fehlen Elektriker und Gärtnerinnen. Deshalb hat der Wohnungskonzern Fachkräfte aus Kolumbien angeworben. Über ein Projekt, das neue Wege geht.

Von Saskia Aleythe, Hannover

Elf Stunden dauerte der Flug, der Fredy Molano in eine andere Welt brachte. Was der Kolumbianer zunächst in Deutschland vorfand: kühle Temperaturen und kühle Temperamente, über 9000 Kilometer von zu Hause entfernt. Zwei Nächte hat der 35-Jährige in Hannover in einem Hotel verbracht, nun geht es weiter nach Berlin: Dort will sich Molano ein neues Leben aufbauen, als Elektriker beim Wohnungskonzern Vonovia. Worauf er sich abseits des Berufslebens freut? "Champions-League-Spiele im Fußball zu besuchen", sagt er.

Hinauswagen in die Welt, das gilt hier nicht nur für Molano, sondern ein Stück weit auch für Vonovia. "Der demografische Wandel schlägt in ganz Europa zu. Insofern muss man ein bisschen weiter schauen, wenn man noch Fachkräfte finden will", sagte Konstantina Kanellopoulos am Montag bei einer Veranstaltung in Hannover, in Vertretung von Rolf Buch, dem Vorstandsvorsitzenden von Vonovia. Kanellopoulos stellte als Generalbevollmächtigte das besondere Anwerbungsprogramm vor, das das Unternehmen durchgeführt hatte: 17 Fachkräfte hat man aus Kolumbien rekrutiert, Elektriker und Elektrikerinnen, Gärtner und Gärtnerinnen.

Im Handwerk fehlen 250 000 Stellen - in Zukunft werden es wohl noch mehr sein

Ermöglicht hatte die Maßnahme das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das 2020 in Kraft getreten war. Es soll die Anerkennung bereits vorhandener ausländischer Berufsabschlüsse beschleunigen und eingewanderten Fachkräften bis zu zwei Jahre Zeit geben, um fehlende Teil-Qualifikationen zu erlangen. Wenn ein großes Unternehmen wie Vonovia Personal in Südamerika suchen muss, wird sichtbar, wie heikel die Lage am Arbeitsmarkt ist. Schon heute fehlen enorm viele Fachkräfte, der Zentralverband des Deutschen Handwerks schätzt den aktuellen Mangel auf 250 000 unbesetzte Stellen. "Wenn wir alles verstromen mit dem Ausbau von Photovoltaik und Wärmepumpen, brauchen wir noch mehr Personal als heute", sagte Kanellopoulos. Für erneuerbare Energien interessiert sich Fredy Molano sehr, doch in seiner Heimat ist der Arbeitsmarkt hart umkämpft und oft mit unsicheren, sehr kurzfristigen Verträgen ausgestattet. Die Bezahlung ist schlecht.

Für ihn hat sich alles geändert, als er eine Internet-Anzeige von Vonovia sah. Die Bundesagentur für Arbeit und die kolumbianische Arbeitsverwaltung hatten vorab eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit unterzeichnet, dann wurde eine Social-Media-Kampagne im Sommer 2021 gestartet. Warum man ausgerechnet in Kolumbien sucht? Die Ausbildung dort decke sich in vielen Punkten mit der deutschen, analysierten die Arbeitsagenturen, die Lücken seien verhältnismäßig klein. Über 400 Bewerbungen gingen ein, 90 Bewerbungsgespräche wurden per Video geführt. Dann wurden 21 Personen ausgewählt, die noch vor Ort einen halbjährigen Sprachkurs besuchten. Vier Personen sind durch die Prüfung gefallen: Für sie klappte es nun doch nicht mit dem Job in Deutschland.

Molano und die anderen bekommen jetzt weitere Kurse, in Deutsch und fachspezifische Weiterbildungen. Wird ihre Qualifikation nach spätestens zwei Jahren von den Behörden voll anerkannt, soll auch der dauerhafte Aufenthalt möglich sein. "Wir wollen die Leute ja an uns binden", sagt Kanellopoulos, vorgesehen sind deswegen unbefristete Verträge. Die 17 Fachkräfte werden verteilt auf Berlin, Lübeck, Hannover und Kiel. Molano kann eine Wohnung in der Hauptstadt beziehen, die bekommt er wie die anderen vom Unternehmen gestellt, Möbel sind auch schon drin. Einziges Problem: Um Champions-League-Fußball sehen zu können, muss er raus aus Berlin.

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