Ausgerechnet hier, im Kundencenter der Wolfsburger Autostadt, findet diese Jahrespressekonferenz statt. Vorstandsetage, Verwaltung, Fabrik, Kunden, die ihre Autos abholen - an kaum einem anderen Ort kommen sich der Konzern und die Menschen da draußen so nahe wie hier. Um 9.45 Uhr stellen sich in diesem Kundencenter acht Männer und eine Frau vor den Fotografen auf. Fünf Minuten lächeln gegen die größte Krise, die dieser Konzern je erlebt hat.
Eigentlich ist es ja zum Heulen. Der Konzern hat bei Dieselmotoren betrogen, Milliardenklagen drohen den Konzern zu zerlegen, schon für 2015 hat man deshalb einen Milliardenverlust eingefahren. Es wird an allen Ecken und Enden gespart, Jobs werden gestrichen und Mitarbeiter-Prämien gekappt.
Exklusiv Volkswagen:Die Geschichte des VW-Betrugs
Wann hat alles begonnen? Wer wusste Bescheid? Und wer hat versucht, den Betrug zu verhindern? Die Ermittlungsergebnisse bei VW offenbaren immer mehr Details der Affäre.
Aber trotz all dem haben die Menschen, die hier vor den Kameras posieren, immer noch Millionen verdient - nur ein Teil ihrer Boni ist vorläufig auf Eis gelegt. 30 Prozent der Vergütung sollen in Aktien umgewandelt und geparkt werden. Der Laden steht Kopf, aber es gibt trotzdem ein paar Millionen. Warum eigentlich soll man da nicht lächeln?
Viele Mitarbeiter haben Angst
Natürlich weiß VW-Chef Matthias Müller, dass die Verunsicherung im Konzern groß ist. Dass viele Mitarbeiter Angst haben vor einer unsicheren Zukunft. Dass es noch richtig bergab gehen könnte. Und er weiß, dass sich der eine oder andere fragt: Wie kann es sein, dass die da oben immer noch Millionen verdienen? Noch kurz vor Beginn der Pressekonferenz sprach der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) im Deutschlandfunk aus, was viele denken: Dass sich der Vorstand gegen üppigere Boni-Streichungen gestemmt habe, könne man "in der Gesellschaft nicht erklären".
Deshalb tut Müller, was man in solchen Situationen tut: Er schließt nicht nur den Verkauf einzelner Konzernmarken, über den bereits spekuliert wurde, aus. Er lobt vor allem seine Mitarbeiter. "Mein persönliches Highlight hat nichts mit Zahlen zu tun, sondern mit den Menschen hier", sagt er. 600 000 Mitarbeiter hat dieser Konzern, sieben davon sitzen mit Müller vorne auf der Bühne. "Ich habe allen Grund, Danke zu sagen." Müller spricht von "Loyalität und Treue", und sagt, dass, der "Mannschaft viel zu verdanken" habe.
Es gab viel Kritik an Volkswagen in den vergangenen Monaten, nicht zuletzt wurde dem Konzern mangelnde Demut vorgeworfen. Müller will dem heute entgegen wirken, er gibt sich sehr zerknirscht. Bei Volkswagen wurden "Grenzen überschritten, Regeln gebrochen", sagt er. "Das schmerzt uns und das tut uns aufrichtig leid." Auch, weil er wisse, wie viele Menschen man enttäuscht habe. Menschen, die Volkswagen vertraut hätten.
Er wolle heute aber auch zeigen, dass Volkswagen ein starker, lebendiger Konzern sei, sagt Müller. Er verweist auf das gute operative Ergebnis. "Volkswagen ist viel mehr als Krise", sagt Müller. Solche Sätze denken sich Pressesprecher aus. Sie sind ein sorgsam komponiertes Signal an die Welt außerhalb Wolfsburgs. Die Welt, die die Entwicklungen bei Volkswagen sehr, sehr kritisch verfolgt.
Rückruf beim Golf wird vorgezogen
Anders als oft behauptet werde, sagt Müller, habe man bei Volkswagen "keine Wagenburgmentalität". Es werde auch "nichts vertuscht oder verschleiert". Dass es trotzdem keinen Zwischenbericht darüber gibt, wer denn an der Abgasmanipulation beteiligt war, liege an den Juristen. Es wäre einfach ein zu großes rechtliches Risiko, vor allem in den USA, sagt Müller. "Bitte haben Sie Verständnis."
Der Konzernchef entschuldigt sich auf für die Probleme und Verzögerungen beim Rückruf der Diesel-Fahrzeuge, von denen allein in Deutschland 2,5 Millionen in die Werkstatt müssen. "Wir sind damit noch nicht so weit, wie wir es gerne wären", sagt Müller. Statt der Passat-Modelle sollen nun zunächst die Autos vom Modell Golf vorgezogen werden. Der Rückruf werde "zügig" beginnen.