Volkswagen:VW-Betriebsratschef droht: "Der Zukunftspakt könnte auch scheitern"

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Betriebsratschef Bernd Osterloh will von der Konzernführung konkrete Zusagen. (Foto: REUTERS)
  • VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh droht dem Management mit einem Scheitern des Zukunftspaktes, der den Umbau des Konzerns regeln soll.
  • Osterloh fordert die Zusage für eine Fertigung von Elektroauto-Batterien. Außerdem will er Modellzusagen, um die Werke auszulasten und Schließungen zu vermeiden.

Von Thomas Fromm und Angelika Slavik, Wolfsburg

Es geht um die Zukunft eines Autokonzerns mit über 200 Milliarden Euro Umsatz und 600 000 Mitarbeitern. Im Grunde aber geht es hier um zwei Männer. Herbert Diess, 57, ist Vorstandschef der Marke Volkswagen und wurde im vergangenen Jahr von BMW nach Wolfsburg geholt, um die schwache Kernmarke wieder nach vorne zu bringen. Dann aber kam die Dieselaffäre, und alles wurde noch viel schwerer.

Bernd Osterloh, 60, ist seit elf Jahren Betriebsratschef bei VW und einige meinen, er sei gar nicht der zweitmächtigste Mann im Konzern, sondern der mächtigste. Osterloh war schon vor weit mehr als einem Jahr dabei, eigene Spar-Vorschläge für die schwache VW-Marke aufzusetzen. Aber dann kam die Dieselaffäre, und auch für ihn wurde es nicht einfacher.

Jetzt also müssen Diess und Osterloh, diese beiden sehr ungleichen Männer, einen Zukunftsplan für die Marke mit ihren fast 30 Werken entwerfen, den sie "Zukunftspakt" nennen. Eine Mischung aus Sparen und Investieren in Zeiten, in denen der Konzern Milliardenkosten aus der Dieselaffäre zu stemmen hat. Der Pakt soll in den nächsten Wochen unter Dach und Fach gebracht werden, aber schon an diesem Donnerstag müssen die beiden Männer bei einer Betriebsversammlung ihren Mitarbeitern in Wolfsburg erklären, wie sie sich die Sache vorstellen.

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Und so viel ist schon jetzt klar: Aus Situationen wie dieser müssen alle als Sieger hervorgehen, weil keiner als Verlierer da stehen möchte. Und so steht am Ende: ein Deal. Der könnte in Grundzügen so aussehen: Das Management unter Diess verzichtet auf betriebsbedingte Kündigungen, Osterloh könnte das als eigenen Erfolg präsentieren. Im Gegenzug akzeptiert Osterloh einen über Jahre gestreckten Jobabbau. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung machte er nun klar: Er wird in Kauf nehmen, dass die VW-Belegschaft in den kommenden Jahren schrumpft. Bis zu 2 500 Mitarbeiter könnten pro Jahr in Altersteilzeit gehen oder frühverrentet werden. Deren Positionen würden dann zum Teil nicht mehr ersetzt. "Andererseits brauchen wir neue Kollegen für Softwareentwicklung und Experten für Elektroautos und autonomes Fahren", sagte der Arbeitnehmervertreter.

Sollte man den Wettbewerb um Elektroautos verlieren, wäre auch der chinesische Markt verloren

Osterloh, der sich für ein gemeinsames Vorgehen mit anderen Autoherstellern bei der Entwicklung von Batterien für Elektroautos einsetzt, warnte das Management: "Der Zukunftspakt könnte auch scheitern. Insbesondere, wenn es keine Zusagen des Konzerns zum Einstieg in die Batterie gibt." Dies sei "auch für den Standort Deutschland wichtig. Wir brauchen eine Zusage zur Fertigung der Batterie für die wegfallenden Arbeitsplätze." Osterloh will außerdem Modellzusagen, um seine Werke auszulasten. Sollte "das Angebot des Unternehmens jetzt keine zufrieden stellende Auslastung und kein Angebot zur Fertigung" der neuen Technologie enthalten, werde "der Zukunftspakt scheitern". Klar sei jedoch, dass bei dem Umbau hin zur E-Mobilität "mehr Menschen das Unternehmen verlassen, als wir neu einstellen".

Wenn viele altgediente Motorenentwickler und -bauer gehen und dafür IT-Spezialisten und Elektroautoexperten kommen, wird die Belegschaft also automatisch schrumpfen. "Wir werden dann genau hinschauen, welche Stellen wir neu besetzen und welche wir entfallen lassen können", sagte Osterloh. Hintergrund: Für den Elektroautobau der Zukunft braucht man weitaus weniger Menschen als für den Bau von klassischen Benzinautos.

Konzernchef Matthias Müller will bis zum Jahr 2025 mehr als 30 rein batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt bringen; von 2025 an soll ein Viertel der Neuwagen einen Elektroantrieb haben - Zeitenwende in Wolfsburg. Der Dieselskandal, sagt ein Wolfsburger Manager, habe diesen Konzernumbau enorm beschleunigt. Fällig gewesen wäre er aber auch so.

Vor allem in China, dem wichtigsten Absatzmarkt von VW, bewege sich gerade alles in Richtung Elektroautos. Sollte VW den Wettbewerb um E-Autos verlieren, wäre auch der chinesische Markt verloren. Ein gefährliches Szenario für das Unternehmen, das in den USA nicht erst seit "Dieselgate" vor der Sinnfrage steht.

Es wird gespart, aber niemand muss deshalb gleich nach Hause gehen

Osterloh will dem Management deshalb möglichst hohe Investitionen in die Elektromobilität abringen - und zwar für hiesige Werke. Zum Beispiel der Standort Salzgitter: Was wird aus dem Motorenwerk, wenn in einigen Jahren kaum noch Motoren gebaut werden? "40 bis 50 Prozent der Wertschöpfung bei einem Elektroauto wird künftig die Batterie sein", glaubt Osterloh. "Das heißt, dass wir einen großen Wandel der Arbeit - vor allem in unseren Komponentenwerken - haben werden."

Umbau, das bedeutet: Es müssen komplett neue Jobs entstehen, wenn man Werke wie das in Salzgitter erhalten will. Wenn Werke erhalten bleiben und Kündigungen verhindert werden sollen, muss anderswo zusätzlich gespart werden. Bei den Gesprächen zwischen Management und Betriebsrat geht es daher auch um die Frage, wie in den Werken künftig gespart werden kann, um die Produktivität zu erhöhen. Im Gespräch ist, teurere Sonder- und Wochenendschichten zu streichen.

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Konzernchef Müller hat noch weitere Sparpläne in der Schublade. Er will an die sogenannten Sachkosten ran, also Ausgaben für Mieten, Büroanschaffungen, Telefon, Werbung und Ähnliches. Die könnten um zehn Prozent sinken. Auch dies ist ein Plan, der weder Diess noch Osterloh weh tun dürfte - es wird gespart, aber niemand muss deshalb gleich nach Hause gehen. Nur Gewinner also, keine Verlierer. So mögen sie das in Wolfsburg.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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