Volkswagen-Gesetz vor EuGH:EU will deutsche Macht bei VW brechen

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Haben deutsche Politiker zu viel Macht bei Volkswagen? Das VW-Gesetz schützt den Autobauer und sichert den Einfluss Niedersachsens. Die EU-Kommission klagt deshalb, der Europäische Gerichtshof muss nun entscheiden. Deutschland droht eine Millionenstrafe - und VW ein Aufstand der Aktionäre.

Von Kristina Läsker

Manchmal gehen selbst einem EU-Politiker die Ansprüche der Europäischen Union zu weit. Vor kurzem erst stand Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, vor 18.000 Arbeitern von Volkswagen auf einer Bühne. "Europa hat eine globale Aufgabe - und nicht die Aufgabe, Volkswagen mit dem VW-Gesetz zu ärgern", rief der SPD-Politiker. Eigens war er aus Straßburg nach Wolfsburg zur Betriebsversammlung geeilt, um Solidarität zu demonstrieren.

Denn bei dem Autobauer sorgen sie sich um ein 53 Jahre altes Regelwerk, das dem Unternehmen seit 1960 besondere Vorzüge einräumt und die EU-Kommission erzürnt: das VW-Gesetz. An diesem Dienstag wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg darüber verhandeln. Genauer: Die Richter müssen über eine Klage der EU-Kommission gegen die Bundesregierung Deutschland urteilen. In der mündlichen Verhandlung werden die Richter prüfen, ob der Bundestag ein erstes Urteil zum VW-Gesetz aus dem Jahr 2007 angemessen umgesetzt hat oder nicht. Falls nicht, könnte die Kommission ein Strafgeld von 300.000 Euro pro Tag verlangen.

Das könnte für die Bundesregierung teuer werden. Verliert sie, dürfte "ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag" fällig werden, schätzen die Juristen der Staatskanzlei in Hannover. Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent an VW - und rund um diese Eignerschaft ist der Streit entbrannt. Denn das VW-Gesetz definiert den Einfluss des Landes, und der ging den EU-Richtern entschieden zu weit. Vor sechs Jahren hatten sie geurteilt, dass das Gesetz in drei Punkten gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs verstößt. So darf Niedersachsen als Aktionär je zwei Vertreter direkt in den Aufsichtsrat entsenden, ohne dass die Hauptversammlung darüber abstimmt. Seit kurzem sitzen der frisch gewählte Ministerpräsident Stephan Weil und der neue Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) im Gremium.

Die Richter hielten es zudem für nicht rechtens, dass das Stimmrecht eines Investors auf 20 Prozent beschränkt ist, egal wie hoch sein Anteil ist. Auch hielten sie es für unzulässig, dass wichtige Beschlüsse der Hauptversammlung eine Mehrheit von 80 Prozent benötigen. Das Aktiengesetz sieht nur 75 Prozent vor. Sie monierten also die Sperrminorität, die Niedersachsen als staatlicher Eigentümer bei zentralen Entscheidungen innehat.

Nach diesem Urteil strich die große Koalition aus CDU/CSU und SPD im Jahr 2008 die ersten zwei beanstandeten Punkte aus dem Gesetz. Sie ließ aber die Hürde der 80 Prozent im Gesetz bestehen - weshalb die Kommission die Klage angestrengt hat. VW traf parallel Vorsorge: Es übernahm die Regeln in die hausinterne Satzung.

Bei Politikern stößt die Klage auf Unverständnis: "Die niedersächsische Landesregierung wird sich auch künftig für den Erhalt des VW-Gesetzes einsetzen", sagte Ministerpräsident Weil der SZ. Auch von Arbeitnehmern kommen klare Worte. Die Bundesregierung habe das VW-Gesetz "korrekt geändert ", sagte VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh. Die Politik stehe zu "der besonders verankerten Mitbestimmung". Beide treibt eine Sorge um: Kippt das VW-Gesetz, könnten Aktionäre womöglich gegen die VW-Satzung klagen, die große Teile des Gesetzes übernommen hat. Doch bis dahin könnte es noch dauern. Mit einem Urteil ist frühestens ab Spätsommer zu rechnen.

© SZ vom 12.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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