Luftfahrt:Mit Frittenfett über den Atlantik

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Die erste Virgin-Maschine mit nachhaltigem Treibstoff ist am Dienstag von London aus in Richtung New York gestartet. (Foto: PETER NICHOLLS/REUTERS)

Die britische Fluggesellschaft Virgin Atlantic tankt erstmals für einen Linienflug nur Kerosin aus Biomasse. Das Problem ist nur: Es gibt für die Branche bei Weitem nicht genug davon.

Von Jens Flottau, Frankfurt

An diesem Tag sollte also dick aufgetragen werden. Schon bevor Virgin-Atlantic-Flug 100 um 11.49 Uhr Ortszeit am Flughafen London-Heathrow in Richtung New York John-F.-Kennedy startete, ließ sich die Prominenz dem Anlass gemäß zitieren. Virgin-Atlantic-Gründer Sir Richard Branson konnte "nicht stolzer" sein, auch Airline-Chef Shai Weiss war "stolz, diesen wichtigen Meilenstein erreicht zu haben". Und Simon Burr, Chefingenieur beim Motorenlieferanten Rolls-Royce, war - genau - "unglaublich stolz" darauf, dass bei dem wichtigen Anlass ausgerechnet Trent-1000-Triebwerke aus seinem Haus genutzt wurden.

Der Anlass, das war der erste kommerzielle Flug über den Nordatlantik, bei dem ausschließlich nachhaltiger Flugtreibstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) aus Biomasse verwendet wurde. Burr, Branson, Weiss, der britische Verkehrsminister Mark Harper und viele andere aus Politik und Branche flogen gleich einmal mit nach New York, um dem Ereignis weitere Gravitas zu verleihen. Okay, nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bereits am 19. November ein Gulfstream Business Jet in der Gegenrichtung geflogen ist und dabei ebenfalls ausschließlich SAF verbraucht hat.

Der Punkt ist ohnehin ein anderer. In den Tagen vor der nächsten Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai will die Luftfahrtindustrie zeigen, wie ernst sie ihre Verantwortung für die Umwelt und die Bemühungen nimmt, möglichst schnell klimaneutral zu sein. Die Flüge dienen auch dazu, der Politik zu zeigen, welche Art von Unterstützung die Branche braucht, um umweltverträglicher zu werden.

Die Luftfahrt ist derzeit nach gängigen Kalkulationen für knapp drei Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Das ist etwas weniger als die Emissionen der Abfallwirtschaft und etwa ein Viertel dessen, was die Landwirtschaft produziert. Oder etwa die Hälfte der Emissionen, die in Deutschland durch das Heizen von Wohnungen und Häusern entstehen. Dennoch steht die Fliegerei wie kaum ein anderer Sektor im Fokus.

Keiner weiß, wo der ganze alternative Treibstoff herkommen soll

Die Branche hat sich dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden, gemäß der Ziele des Pariser Abkommens. Ob sie das schafft, daran mehren sich schon jetzt die Zweifel. Elektrisches Fliegen und neue Antriebskonzepte wie Wasserstoff werden noch auf viele Jahrzehnte hinaus nur geringe Beiträge zur Dekarbonisierung leisten können - zu groß sind die technologischen Hürden, zu lange die Entwicklungszyklen und zu hoch die Kosten. SAF zu nutzen, ist vor allem für die Langstrecken "der einzig gangbare Weg", so Virgin-Atlantic-Chef Weiss. Scheitert SAF, wird der Anteil des Luftverkehrs an den Emissionen insgesamt stark steigen, denn andere Branchen werden mutmaßlich schneller nachhaltig werden können, außerdem wächst die Luftfahrt trotz aller Bedenken weiter.

Das Problem ist nur, dass es bei Weitem nicht genug SAF gibt. Die aktuelle Jahresproduktion reicht gerade mal für 0,1 bis 0,2 Prozent des weltweiten Bedarfs. Die Europäische Kommission hat zwar Mindestmengen vorgeschrieben, die die Branche in Stufen erreichen muss, aber keiner weiß, wo genau der ganze alternative Treibstoff herkommen soll. Weltweit gibt es zwar eine mittlerweile unübersichtliche Menge an angekündigten Projekten für große Produktionsanlagen, doch viele warten wegen der ungeklärten rechtlichen Rahmenbedingungen weiterhin auf Finanzierungszusagen der Banken. Eine Konferenz der internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO in der vergangenen Woche hat nun immerhin Richtlinien für staatliche Förderprogramme definiert - die Fluggesellschaften drängen auf schnelle Umsetzung.

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