Medien:Der tiefe Fall von Vice Media

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Vice galt vor einiger Zeit mal als alles, was traditionelle Publisher nicht waren. (Foto: Timon Schneider/IMAGO/Zoonar)

Hip, aber nicht profitabel: Vice geht in die Insolvenz - und hofft auf einen Verkauf. Dabei wurde dem Medienunternehmen mal eine große Zukunft vorhergesagt.

Von Max Muth

Sechs Jahre sind nicht viel, doch im Geschäft mit digitalen Nachrichten können sechs Jahre eine Ewigkeit sein. Noch im Juni 2017 sammelte Vice Media in einer Finanzierungsrunde 450 Millionen Dollar von der Investmentfirma TPG ein, bei einer Bewertung von 5,7 Milliarden Dollar. Vice galt als alles, was traditionelle Publisher nicht waren, jung, hip, cool, schnell - eine Marke mit großer Zukunft. 2023 ist von dieser Bewertung wenig übrig, auch nicht monetär. Anfang Mai hatte das Wall Street Journal berichtet, dass sich Vice Media auf eine Insolvenz vorbereite. Vergeblich hatte Vice zuvor versucht, Käufer zu finden, die das gebeutelte Unternehmen für zunächst noch über eine Milliarde Dollar, später noch deutlich weniger übernehmen sollten.

Der aktuelle Plan sieht nun Medienberichten zufolge vor, dass der Fonds des Investoren George Soros und die Investmentfirma Fortress Vice Media aus der Insolvenz heraus kaufen, und zwar für rund 400 Millionen Dollar.

So fing 1994 alles an. Mit einem werbefinanzierten Magazin, das da auslag, wo die coolen jungen Leute sich trafen. Die erste deutsche Vice-Ausgabe gab es 2005. (Foto: Manfred Segerer/imago images)

Gegründet wurde Vice Media als Vice Magazine 1994 von Shane Smith, der bis 2018 auch CEO des Unternehmens war. Das werbefinanzierte Magazin machte durch furcht- und respektlose Reportagen und Geschichten auf sich aufmerksam - und schaffte es, diesen Stil auch ins digitale Zeitalter zu transportieren. Traditionelle Medienunternehmen, deren Weg ins Digitale deutlich holpriger verlief, blickten voller Neid auf das hippe News-Start-up, das sich ein riesiges Hauptquartier im ebenso hippen New Yorker Stadtteil Brooklyn gönnte. Um sich ein wenig im Glanz von Vice zu sonnen, investierten alte Medienmarken wie Disney hunderte Millionen Dollar. Ein Großteil dieses Geldes dürfte nun abgeschrieben werden - im wortwörtlichen Sinne. Das Geld ist weg.

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Dem Wall Street Journal zufolge würden mit den 400 Millionen Dollar nur die Altschulden bedient, darunter die bei der an der geplanten Übernahme beteiligten Fortress Group. Die meisten anderen Investoren, wie Disney, TPG Inc., A+E und James Murdochs Investmentfirma Lupa Systems würden Berichten zufolge leer ausgehen.

Hochdekoriert, aber pleite

Seit der Rekordbewertung von 2017 hatte Vice mit Dokumentarfilmen und Reportagen zwar Unmengen an Preisen gewonnen, bei den Emmys 2022 etwa holten Produktionen von Vice Media gleich zehn der begehrten Trophäen. Zur gleichen Zeit hatte das Unternehmen jedoch auch immer wieder Umsatzziele verfehlt. Auch organisatorisch lief es nicht rund. Gründer Shane Smith musste seinen CEO-Posten 2018 räumen, nachdem die New York Times berichtet hatte, wie unangenehm ein Job bei Vice vor allem für junge Frauen sein konnte.

Smith hatte offenbar ein Arbeitsumfeld geschaffen, das deutsche Leser an die jüngsten Berichte über die Bild -Zeitung unter Chef Julian Reichelt erinnern dürfte: Machtmissbrauch, Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen, Boys Club sind dort die Vorwürfe. Smiths Nachfolgerin Nancy Dubuc krempelte offenbar die Arbeitskultur von Vice um. Aber auch sie schaffte es bis zu ihrem Abgang 2023 nicht, die Umsatzziele zu erreichen. Vice Media hatte zuletzt wiederholt Stellen abgebaut, um Kosten zu sparen. Zuletzt hatte das Unternehmen angekündigt, seine Nachrichtensendung Vice News Tonight einzustellen und weltweit 100 Mitarbeiter entlassen. Am Ende hatte Vice dann offenbar nicht mehr genug Geld, um ausstehende Rechnungen zu zahlen.

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