Versuchter Prozessbetrug:Deutsche-Bank-Prozess steht auf der Kippe

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Doppelte Türme: die Zentrale der Deutschen Bank. (Foto: Daniel Roland/AFP)
  • Immer wieder tauchen Unterlagen im Verfahren gegen das Deutsche Bank auf. Die zuständige Strafkammer am Landgericht München fragt sich, ob "unter diesen Umständen ein faires Verfahren" möglich ist.
  • Ein Aussetzungsantrag einer der Angeklagten könnte genügen, dass Richter Noll das Verfahren unterbricht.
  • Jedoch haben nicht alle Angeklagten ein Interesse daran, dass sich der Prozess länger als nötig hinzieht.

Von Klaus Ott, München

Gut, dass es in München so viel regnet und die Vorhersage auch für die Pfingstzeit nur vorübergehend besseres Wetter verheißt. So haben einige Anwälte und Staatsanwälte über die Feiertage und in den Ferien vielleicht genügend Zeit zum Aktenstudium, weil Familienausflüge ins Wasser fallen. Der Regen könnte den Deutsche-Bank-Prozess retten. Der steht auf der Kippe, seitdem immer wieder weitere Unterlagen aus weiteren Ermittlungen in diesem Fall auftauchen und ein ordnungsgemäßes Verfahren vor dem Landgericht München I für manche Beteiligte nur noch schwer vorstellbar ist. Von mehr als einem Terabyte neuem Material war zuletzt die Rede. Viel Stoff, wenig Zeit. Bis zum 9. Juni will das Gericht von Staatsanwaltschaft und Verteidigung wissen, ob und wie die Aktenfülle zu bewältigen sei.

Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank, seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie zwei Ex-Vorstände des Geldinstituts stehen wegen versuchten Prozessbetrugs im Fall Kirch vor Gericht. Viele Verhandlungstermine sind angesetzt, aber schon bald könnte einstweilen alles vorbei sein. "Die Zündschnur liegt aus, es muss sie nur noch einer anzünden", sagt einer der Verteidiger. Das Problem: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben, bevor das bei dem Geldinstitut und dessen Anwälten im Fall Kirch beschlagnahmte, umfangreiche Material vollständig ausgewertet war. Ein grober Fehler aus Sicht der Verteidiger. Peter Noll, der als Vorsitzender der fünften Strafkammer am Landgericht München I den Deutsche-Bank-Prozess leitet, hat bereits erbost reagiert. Er hätte, so Noll, den Prozess möglicherweise erst gar nicht angesetzt, wenn er vorher davon gewusst hätte.

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Breuer hat am wenigsten zu verlieren - und am meisten zu gewinnen

In einer langen Verfügung hat sich Nolls Kammer des Aktenproblems angenommen und die Frage aufgeworfen, ob die Verfahrens-Beteiligten "unter diesen Umständen ein faires Verfahren gewährleistet sehen". Dann folgt, fett gedruckt, der Satz: "Hierzu wird ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben." Noll hält den Verteidigern quasi die Zündschnur hin. Die Anwälte und deren prominente Mandanten müssen nun entscheiden, ob sie zum Streichholz greifen, oder nicht.

Die Interessen sind höchst unterschiedlich. Aber es genüge, so die Einschätzung in Verteidigerkreisen, wenn einer der Angeklagten über seinen Anwalt einen Aussetzungsantrag stelle. Dann werde Noll abbrechen. Am ehesten wäre solch ein Antrag von Breuer zu erwarten, der Anfang 2002 als damaliger Bankchef mit einem TV-Interview über die finanzielle Notlage des Medienmagnaten und Kreditkunden Leo Kirch das ganze Schlamassel ausgelöst hat. Breuer ist der am schwersten belastete Angeklagte, er hat am wenigsten zu verlieren und am meisten zu gewinnen. Ein neuer Prozess auf der Basis vollständig ausgewerteter Akten würde, wie mehrere Verteidiger glauben, frühestens in einem Jahr beginnen. Bis dahin könnte in den vielen zusätzlichen Unterlagen manches auftauchen, was Breuer entlastet. Hinweise auf solche Funde gibt es offenbar schon.

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Fitschen will Vorstandschef bleiben - und den Prozess schnell hinter sich bringen

Ganz anders ist die Lage beim heutigen Co-Vorstandschef Fitschen. Von ihm heißt es, er wolle den Prozess so schnell wie möglich hinter sich bringen, um sich wieder voll und ganz auf seinen Job konzentrieren zu können. Die Deutsche Bank steckt in der Krise, Fitschen und sein Co-Chef Anshu Jain sind umstritten. Da zählt jeder Tag und jedes Gespräch, um Attacken von Aktionären abzuwehren und sich im Amt zu halten. ( Text oben) Fitschen will Vorstandschef bleiben, bis März 2017, so lange läuft sein Vertrag. Ihm käme es wohl ungelegen, würde der Prozess in München nicht durchgezogen, sondern vertagt werden. Das wäre für ihn dann ein ungelöstes Problem mehr. Ein Dauerproblem. Fitschens Amtszeit wäre unter Umständen schneller zu Ende als das Verfahren in München.

Doch ausgerechnet am Beispiel des Co-Chefs der Deutschen Bank zeigt sich, wie schwierig der Umgang mit den neuen Prozessakten ist. Die Staatsanwaltschaft hat nach der Anklage gegen Fitschen & Co. gegen weitere Beschuldigte weiter ermittelt und noch mehr Unterlagen beschlagnahmt. Und sucht darin auch nach Beweisen gegen die aktuellen Angeklagten. Die Strafverfolger glauben, bei Fitschen bereits fündig geworden zu sein. Handschriftliche Notizen eines Anwalts der Deutschen Bank belasten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den Co-Chef des Geldinstituts. Im Schadensersatzstreit mit Kirch vor dem Oberlandesgericht (OLG) München habe Fitschen, entgegen eigenen Angaben, für eine Aussage beim OLG München "gebrieft", also präpariert werden sollen.

Die betreffende Anwaltsnotiz bezieht sich aber, wenn man sie genau liest, auf einen ganz anderen Vorgang; belastet Fitschen also offenbar gar nicht. In solchen Fällen müsste das Gericht, um der neuen Akten Herr zu werden, neue Zeugen laden. Oder schon gehörte Zeugen nochmals laden. Richter Noll hat bereits vor einer "Endlosschleife" gewarnt. "Immer wieder zurück auf Start?" Bis zur vergangenen Woche hat die Staatsanwaltschaft immer wieder Unterlagen beschlagnahmt. Noch mehr Stoff, den es bis zum 9. Juni zu sichten gilt.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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