Verkehrspolitik:Verkehr könnte Jamaika-Knackpunkt werden

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A 7 bei Hildesheim: Bei der Pkw-Maut sind die künftigen Koalitionäre unterschiedlicher Meinung, doch die Gespräche wollen sie deswegen nicht platzen lassen. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Pkw-Maut, Luftqualität, Fahrverbote: In der Verkehrspolitik tun sich Union, FDP und Grüne schwer mit Kompromissen. Und auch der Posten des Ministers ist hoch umstritten.

Von Markus Balser, Berlin

Was die Stunde in der Hauptstadt geschlagen hat? In den Parteizentralen von Union, FDP und Grünen ist das längst klar. Schon vor dem Start offizieller Sondierungsgespräche trafen sich in den vergangenen Tagen immer wieder Fachleute, um hinter verschlossenen Türen über die wichtigsten Streitpunkte einer möglichen Jamaika-Koalition zu reden. Besonders rege, heißt es, sei der Gedankenaustausch nicht nur bei den großen Linien der Außen- oder Finanzpolitik. Viel Gesprächsbedarf sehen die Verhandler bei einem äußerst sensiblen Punkt, der Wählern wichtig ist, weil er den Alltag prägt: der Verkehrspolitik.

Die Positionen liegen zum Start sehr weit auseinander. Vielleicht so weit, wie in keinem anderen Bereich. Während etwa die Union an der Pkw-Maut festhalten will, sind Grüne und FDP dagegen. Während die Grünen Verbrennungsmotoren langfristig komplett aus dem Verkehr ziehen wollen, lehnen Union und FDP einen fixen Ausstiegsbeschluss ab. Doch wo Kompromisse kaum möglich scheinen, arbeiten die Fraktionen bereits an gesichtswahrenden Lösungen für alle Seiten. "Wir versuchen, Kulturgrenzen zu überwinden", sagt ein Verhandler.

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Besonders schwer wird das beim Prestigeprojekt schlechthin von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Union will an der umstrittenen Pkw-Abgabe in jedem Fall festhalten und sie von 2019 an einführen. Vor allem die CSU treibt die Pläne voran. Grüne und auch die FDP sind jedoch strikt gegen das Vorhaben. "Berechnungen und Prognosen zeigen, dass die von der großen Koalition beschlossene Pkw-Maut in keinem Verhältnis steht", heißt es im FDP-Wahlprogramm. "Deshalb lehnen wir die Pkw-Maut ab."

Auch die Grünen legen kurz vor Beginn der Sondierungsgespräche nach: "Union und SPD haben die Maut im Bundestag wider jede Vernunft ja sogar zweimal beschlossen", sagt Fraktionsvize Oliver Krischer. "Da wird man drüber reden müssen, wie wir mit der immer noch zutreffenden Kritik umgehen: keine nennenswerten Einnahmen, Bürokratie, Ausländerdiskriminierung und angekündigte Rachemaut von Nachbarländern. Wenn wir nach der Klage Österreichs und der Niederlande einfach weiter machen und der Europäische Gerichtshof am Ende die Rechtswidrigkeit feststellt, geht die Maut nachher als ,Schneller Brüter' der Verkehrspolitik in die Geschichte ein."

Doch am Beispiel der Maut zeichnet sich auch ab, wie kompromissbereit die Lager längst sind. Es werde schwer, die Maut rückgängig zu machen, heißt es in Kreisen der Grünen. Denkbar sei ein Kompromiss, in dem man an der Maut weiter arbeite, sie aber so lange aussetze, bis ein sinnvolles Konzept auf dem Tisch liege und der Streit vor dem Europäischen Gerichtshof entschieden sei - und das dürfte noch einige Zeit dauern. Man werde die Gespräche an der Maut wohl kaum platzen lassen, heißt es unisono bei den Grünen und der FDP.

Streit gibt es aber auch um den richtigen Umgang mit der Dieselaffäre und die schlechte Luft in deutschen Metropolen. Während die Grünen Fahrverbote in Städten befürworten, um die Luftqualität zu verbessern, sind FDP und Union dagegen. Auch bei den Konsequenzen der Abgasaffäre für die Autoindustrie gibt es Dissens. Während Grüne und Liberale eine Nachrüstung von Betrugsfahrzeugen auf Konzernkosten fordern, gab sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bislang mit einem Software-Update zufrieden, mit dem die Grenzwerte jedoch nicht eingehalten werden. Und während die Grünen bei Neuzulassungen Verbrennungsmotoren ab 2030 ganz aus dem Verkehr ziehen wollen, lehnen FDP und Union ein solches Ausstiegsdatum rundweg ab.

Anders als bei der Maut dürften die Grünen allerdings bei ihrem Kernthema Umweltschutz hart bleiben. "Wenn wir die Klimaziele aus dem Paris-Abkommen ernst nehmen, müssen wir bald handeln", sagt Fraktionsvize Krischer. "Dann dürfen etwa ab dem Jahr 2030 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden."

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Den Bahnverkehr fördern wollen laut Wahlprogramm alle möglichen Jamaika-Koalitionäre. Am weitesten aber gehen die Grünen. Sie fordern einen besseren Takt im Fernverkehr und günstigere Tickets durch eine Senkung der Trassenpreise. Grünen und FDP schwebt eine weit reichende Bahn-Reform vor, durch die Zugverkehr und Schienennetz in zwei Unternehmen gespalten würden. Ziel wäre mehr Wettbewerb auf der Schiene. Die Unionsparteien und der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla im Bahnvorstand würden solche Pläne wohl verhindern wollen. Auch im Luftverkehr gibt es Dissens. Während die Grünen Nachtflüge nach Möglichkeit einschränken wollen, sind Union und FDP dagegen.

Umweltverbände hoffen trotz des Streits auf eine Verkehrswende einer neuen Koalition. In der Mobilität bahne sich ohnehin ein Paradigmenwechsel an, sagt Jens Hilgenberg, Experte für Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Junge Menschen nutzten bereits ganz selbstverständlich die Möglichkeiten, die ihnen vernetzte Mobilitätsangebote bieten. "Die Grünen müssen jetzt die Aufbrauchstimmung nutzen und die Verkehrswende zu einem zentralen Thema in den Sondierungen machen."

Als unsicher gilt, ob die Grünen den künftigen Verkehrsminister stellen können. "Auch die CSU wird versuchen, den Posten zu bekommen", sagt ein Insider. Mögliche Kandidaten wären die CSU-Politikerin Dorothee Bär, die bereits Staatssekretärin im Verkehrsministerium ist, und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Auch er war von 2009 bis 2013 Staatssekretär im Verkehrsministerium.

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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