Mainz:Kommunen und Kreise wollen mehr P+R-Plätze

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Die mit Blick auf das Klima angestrebte Verkehrswende erfordert nach Auffassung des Gemeinde- und Städtebunds sowie des Landkreistags mehr Park+Ride-Plätze in...

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Mainz (dpa/lrs) - Die mit Blick auf das Klima angestrebte Verkehrswende erfordert nach Auffassung des Gemeinde- und Städtebunds sowie des Landkreistags mehr Park+Ride-Plätze in Rheinland-Pfalz. „Wer die Verkehrswende wirklich voranbringen will, muss den Verkehr in Stadt und Land völlig neu aufstellen“, sagte Vorstandsmitglied Karl-Heiz Frieden am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Dazu gehört in den Städten eine kontinuierliche Reduzierung des Individualverkehrs, ein besserer öffentlicher Nahverkehr, der sicher, pünktlich, kürzer getaktet und emissionsarm durch Elektro- und Wasserstoffantrieb ist.“ Notwendig sei neben Park+Ride-Plätzen auch eine Reaktivierung des Schienenverkehrs sowie Busse, die auf Nachfrage fahren.

Der Landkreistag verlangt mehr Fördermöglichkeiten vom Land für den Bau von Auto-Abstellplätzen an den Bus- und Bahnstationen. „Wir erwarten, dass der Bedarf steigen wird“, sagt der Beigeordnete Jürgen Hesch. Viele der zuständigen Kommunen könnten die P+R-Plätze finanziell aber nicht ohne weiteres aus eigener Kraft stemmen. Das Verkehrsministerium unterstützt den Bau. Die Stadt Bingen etwa bekommt für ihre rund 2,5 Millionen Euro teure Park+Ride-Anlage mehr als 1,9 Millionen Euro vom Land. „Wir möchten den Bürgerinnen und Bürgern den Umstieg auf den ÖPNV so leicht wie möglich machen“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Abgeordnete der Landtagsfraktionen von CDU und Grünen sehen auch Nachholbedarf bei P+R-Plätzen. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert dagegen, das Geld besser in den Ausbau der Bus- und Radinfrastruktur zu stecken.

Fast drei Viertel der rund 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Rheinland-Pfalz pendelten über ihre Gemeindegrenze zur Arbeit, betonte Frieden. „Die ländlichen Räume und deren Bewohner werden auf absehbare Zeit auf das Auto angewiesen sein.“ Mobilität bei Arbeitnehmern ist ein langfristiger Trend: „Die Zahl der Auspendler steigt wie die Zahl der Einpendler seit mehr als zehn Jahren kontinuierlich an“, stellt die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit fest.

Der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Jan Bollinger, sagte: „Das Auto wird im Pendlerland Rheinland-Pfalz auf absehbare Zeit unersetzbar sein.“ P+R-Plätze mit wirklich guter Verkehrs- und ÖPNV-Anbindung könnten hier eine Chance sein. Auch der CDU-Landtagsabgeordnete Martin Brandl ist überzeugt: „Im ländlichen Raum ist das Auto mittelfristig nicht zu ersetzen.“ Viel stärker als bisher müssten Park+Ride-Parkplätze zu einer Schnittstelle zwischen dem eigenen Auto, dem ÖPNV und individuellen Lösungen werden, wie etwa Sharing-Dienstleistungen. Brandl forderte nicht nur den Ausbau der Abstellplätze, sie müssten auch viel bekannter gemacht werden.

Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Jutta Blatzheim-Roegler, fordert indes, die Infrastruktur für Fahrräder bei den Planungen von P+R-Konzepten stärker zu berücksichtigen, etwa mit Fahrradparkhäusern wie in Ingelheim am Rhein und in Trier. An kleineren Haltepunkten sollten überdachte Radabstellplätze und abschließbare -boxen zum Standard werden. „Hierdurch kann der Umstieg aufs Fahrrad oder E-Bike zur Überwindung der sogenannten letzten Meile attraktiver gemacht werden.“

In Bingen sollen auf einem ehemaligen Gelände der Bahn mit Hilfe des Landes rund 180 Stellplätze entstehen. Etwa 1900 Menschen stiegen pro Tag am Hauptbahnhof Bingen in einen Zug, es fehle aber noch an Park+Ride-Parkplätzen für die Pendler, heißt es im Verkehrsministerium. Derzeit wichen viele zum Parken in den benachbarten Stadtteil Bingerbrück aus.

Was macht einen guten P+R-Platz aus? Ein ausreichender Winterdienst, gute Beleuchtung und eine Notrufeinrichtung seien wichtig, sagte eine ADAC-Sprecherin. Der Weg vom Stellplatz zur Haltestelle müsse zudem so sicher sein, dass ihn Fahrerinnen und Fahrer ohne Angst zurücklegen könnten. „Um Autofahrern das Umsteigen auf ÖPNV leicht zu machen, sollten stadtferne Parkplätze möglichst günstig oder kostenlos sein.“

Nach Einschätzung des Verkehrssoziologen Alfred Fuhr funktioniert P+R so richtig gut nur in München. Der Platz P+R Fröttmaning liege direkt an der Autobahn, sei gut ausgeschildert und habe einen S- Bahnanschluss. „Damit ist man schneller, als wenn man im Stau Richtung Innenstadt weiter kriecht“, sagte Fuhr. Zudem seien die Kosten gering. „Bei den meisten P+R Parkplätzen am Rand von Städten fehlt es an allem, was Pendler wirklich brauchen.“ Ordnung, Bewachung, und Sicherheit, nannte der Fachmann als Beispiele. Zudem eine gute Anbindung an den ÖPNV, Bus, Bahn, IC und ICE. Vielen Städten fehle es an dem Willen für Pendler wirklich einen Service zu bieten. Oft seien die Parkplätze auch schon morgens früh belegt.

Der P+R-Platz in Oberwesel (Rhein-Hunsrück-Kreis) beispielsweise ist fast täglich ausgebucht, wie es bei der Verbandsgemeindeverwaltung heißt. Von den insgesamt 85 Stellplätzen seien 60 von Dauerparkern gebucht. Eine Erweiterung des Angebots sei nicht in Sicht, denn es fehle an den entsprechenden Grundstücken.

Die VCD-Landesvorsitzende Helga Schmadel hält nichts vom Ausbau der P+R-Plätze. „Wenn die Leute erstmal im Auto sitzen, müssen die Bedingungen schon recht schlecht sein, dass sie auf die Bahn umsteigen.“ Der ökologische Verkehrsclub setzt stattdessen auf eine bessere Bus- und Fahrradinfrastruktur. Möglicherweise werde das neue Konzept der fünf Zweckverbünde im Land einen Durchbruch bringen, „hoffentlich schon zum Winterfahrplan“.

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