Verdi-Vize Mönig-Raane:"Das ist intellektuell unredlich"

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Verdi-Vize Mönig-Raane über das ominöse Zukuftspapier des inzwischen zurückgeruderten Wirtschaftsministers Guttenberg - und warum sie als Arcandor-Aufsichtsrätin nicht geschlafen hat.

Melanie Ahlemeier

Margret Mönig-Raane, 61, ist seit 2001 stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und Leiterin des Fachbereichs Handel. Die gelernte Erzieherin und studierte Sozialarbeiterin sitzt seit 2005 im Aufsichtsrat des insolventen Handel- und Touristikkonzerns Arcandor.

Margret Mönig-Raane ist stellvertretende Verdi-Chefin. (Foto: Foto: dpa, afp / Montage: sde, C. Büch)

sueddeutsche.de: Die Krise ist trotz erster positiver Anzeichen noch nicht ausgestanden. Geht es nach Wirtschaftsminister Guttenberg, wird das Klima für Arbeitnehmer schon bald deutlich kälter. Gerade ist ein brisantes Papier aus dem Wirtschaftsministerium bekannt geworden, Ziel ist eine noch höhere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Keine Steilvorlage für Verdi?

Mönig-Raane: Ich weiß nicht, ob es mit Lospoltern getan ist. Das sind doch olle Kamellen. Die gleichen Rezepte, mit denen die Menschen in diesem Land in die Krise geführt wurden, werden jetzt gepriesen als Weg aus der Krise. Ich halte das für eine Zumutung. Der tiefe Absturz wurde auch deshalb verhindert, weil die Konsumnachfrage stabil geblieben ist. Das müsste doch mal zu einem Umdenken führen. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Das Konzept ist auch intellektuell unredlich.

sueddeutsche.de: Wirtschaftsminister Guttenberg distanziert sich von dem Papier - glaubwürdig oder nicht?

Mönig-Raane: Das ist insgesamt ein unangemessener Umgang mit den Herausforderungen und den Problemen, die wir zu bewältigen haben.

sueddeutsche.de: Kanzlerin Angela Merkel ließ bereits mitteilen, dass es von ihr keinen Auftrag an Wirtschaftsminister Guttenberg gegeben habe.

Mönig-Raane: Zu Guttenberg ist für die FDP-gefährdeten Wähler dran, macht martialische Äußerungen und behält den Wirtschaftsflügel bei der CDU/CSU. Die Kanzlerin steht für das Drittel in der Mitte, das mal so und mal so wählt. Für mich sieht das klar nach Aufgabenteilung aus.

sueddeutsche.de: Eine klare Aufgabenteilung gab es auch bei Arcandor: Die Mitarbeiter waren zu drastischen Gehaltseinbußen bereit, um dem Konzern aus der Schieflage zu helfen; gleichzeitig gibt es Vorwürfe, dass der alte Arcandor-Vorstand zu viel Geld ausgegeben hat.

Mönig-Raane: Ich habe da noch Informationsbedarf durch den Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Offensichtlich geht es um hohe Beraterkosten und die Anmietung von Jets. Da stellt sich mir die Frage, ob die Berater auf Drängen der Banken beschäftigt oder als Berater für Marketing und Unternehmensweiterentwicklung eingesetzt wurden. Das gilt es aufzuklären und zu hinterfragen. Details habe ich allerdings noch nicht vorliegen, von daher bin ich da eher zurückhaltend.

sueddeutsche.de: Die Arcandor-Misere trägt vor allem einen Namen: Thomas Middelhoff. Haben Sie mal um ein Wort der Entschuldigung gebeten? Etliche Noch-Arcandor-Mitarbeiter sind Verdi-Mitglied.

Mönig-Raane: Die Krise bei Karstadt und bei Quelle nahm ihren Anfang schon einige Jahre vor dem Wirken von Thomas Middelhoff. Als Middelhoff auftauchte - erst im Aufsichtsrat und später im Vorstand - war das Kind schon längst in den Brunnen gefallen. Middelhoff ist es allerdings nicht gelungen, das Unternehmen aus dieser tiefen Krise erfolgreich hinauszuführen.

sueddeutsche.de: Warum hat Verdi sich den Niedergang des Handels- und Touristikkonzerns eigentlich so lange tatenlos angesehen? Sie selbst sitzen doch bereits seit 2005 im Arcandor-Aufsichtsrat.

Mönig-Raane: Von tatenlos kann keine Rede sein. Dieser Eindruck entsteht lediglich, weil wir als Aufsichtsratsmitglieder strengen Vertraulichkeitsvorschriften unterworfen sind und daher über unsere Tätigkeiten nicht sprechen dürfen. Die Frage ist, ob wir Entscheidungen getroffen haben, von denen man zu dem Zeitpunkt, an dem sie getroffen wurden, hätte wissen müssen, dass sie falsch sind. Ich nehme mal das Beispiel Condor-Verkauf an die Air Berlin. Das hat deshalb nicht geklappt, weil Air Berlin in Schwierigkeiten geraten und von den Verkaufsabsichten zurückgetreten ist - aber konnte man das schon ein halbes Jahr vorher wissen? Ich bin deshalb zurückhaltend mit dem flotten Verurteilen des Herrn Middelhoff.

sueddeutsche.de: Herr Middelhoff hat doch die konzerneigenen Immobilien verhökert und später teuer zurückgemietet. Auch da schwieg Verdi.

Mönig-Raane: Stop! Zu hohe Mieten wurden für die fünf Häuser vereinbart, die an den Oppenheim-Esch-Fonds verkauft wurden. Zu der Zeit war Middelhoff nicht Vorstandsvorsitzender und ich noch kein Aufsichtsratsmitglied. Für den Rest der Häuser werden marktübliche Mieten gezahlt. Und in diesem Fall gilt: Wenn man die Wahl hat, horrende Zinsen an Banken wegen hoher Schulden zu zahlen oder die Immobilien zu verkaufen, nicht zu verhökern, dann erst einmal schuldenfrei zu sein und Zinsen zu sparen, ist das eine schwere Entscheidung. Ich habe das mitentschieden, schweren Herzens. Wir mussten uns von den Immobilien trennen, um von diesen Schulden runterzukommen.

sueddeutsche.de: Das Kontrollgremium stimmt dem Verkauf der konzerneigenen Immobilien zu und kümmert sich dann nicht mehr darum?

Mönig-Raane: Wir haben den Beschluss initiiert, dass die Hälfte des Geldes aus dem Immobilienverkauf in die Renovierung der Kartstadt-Häuser geht. Das ist leider nicht passiert, weil dann das Geld anderweitig gebraucht wurde, zum Beispiel für Thomas Cook. Wir haben selbstverständlich auch geschaut, ob die Mieten marktüblich sind oder nicht. Die Mieten sind intern so umverteilt worden, dass die ertragsstarken Häuser höhere Mieten zu zahlen hatten als die Häuser, die ohnehin zu kämpfen hatten. Trotzdem finde ich es richtig, dass der Insolvenzverwalter jetzt an die beiden Hauptvermieter Whitehall und Oppenheim Esch herangeht und sagt: Auch von euch wollen wir jetzt einen Beitrag sehen, denn wenn die Häuser zugemacht werden, habt auch ihr nichts davon.

sueddeutsche.de: Wie hoch stehen die Chancen, dass die beiden Hauptvermieter auf einen Teil ihrer Einnahmen verzichten?

Mönig-Raane: Wir gehen davon aus, dass beide bereit sind, ordentlich mit ins Rad zu packen.

sueddeutsche.de: Misswirtschaft in Unternehmen rächt sich jetzt in der Krise massiv. Haben wir in Deutschland die Wirtschaftselite, die wir brauchen?

Mönig-Raane: Es könnte immer besser sein. In den letzten Jahren sind die Unternehmer verschwunden, die nicht nur die kurzfristige Rendite im Kopf hatten, sondern in der Lage waren, das gesamte Umfeld des Unternehmens zu sehen. Dazu zähle ich die Beschäftigten ebenso wie die Kunden und Lieferanten. Ein positives Beispiel ist sicherlich dm-Gründer Götz Werner. Von dem Schlag, also von dem sich verantwortlich fühlenden Managers, könnten wir eine Menge mehr gebrauchen.

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