Wechselfreudige Kunden sind für die meisten Energieunternehmen ein Graus: Sie kassieren die hohen Wechselboni für Neukunden, kündigen, wechseln wieder und kassieren dann wieder die Boni. Für Energieunternehmen ist das weitaus weniger lukrativ, als wenn die Kunden über Jahre bei ihnen bleiben - weshalb sie die Wechselei gern verhindern würden.
Vattenfall hat das offenbar über Monate hinweg gemacht, ohne den Neukunden Bescheid zu sagen und hat sich damit nun ein Bußgeld in Höhe von mehr als 900 000 Euro eingefangen, wie Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung zeigen. Potenziell betroffen sind von der rechtswidrigen Aktion des Energiekonzerns rund 500 000 Menschen in ganz Deutschland. Zum Vergleich: Der Konzern hat aktuell etwa 2,8 Million Kunden in der Bundesrepublik.
Bonushopper lohnen sich für Vattenfall nicht
Den Recherchen zufolge hat Vattenfall zwischen August 2018 und Dezember 2019 routinemäßig mögliche Neukunden daraufhin überprüft, ob sie "wechselauffälliges Verhalten" zeigten. Dafür nahmen sie die Daten der potenziellen Neukunden, die eine Anfrage für einen Sondervertrag gestellt hatten. Diese glichen sich nun mit den Verträgen der Altkunden ab. Fiel dabei auf, dass ein Kunde schon einmal bei Vattenfall war, dann woanders war und nun wieder einen Vertrag haben wollte, konnte Vattenfall das auf diese Weise identifizieren und das Wechselersuchen ablehnen. Denn genau das häufige Wechseln, das auch als "Bonushopping" bekannt ist, lohnt sich für Vattenfall nicht.
Doch so wie Vattenfall den Datenabgleich umgesetzt hat, ist das nach Auffassung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit rechtswidrig. Die Behörde hat deshalb eine saftige Strafe von mehr als 900 000 Euro verhängt. Sie sagt, Vattenfall habe seine Kunden nicht ausreichend darüber informiert, was das Unternehmen genau mache. Auf SZ-Anfrage gab Vattenfall etwa eine halbe Stunde später eine Pressemitteilung heraus. Darin feiert das Unternehmen die Entscheidung der Hamburger Datenschützer. Zwar müsse Vattenfall eine Strafe zahlen. Doch der Abgleich der Daten von Neukunden, so frohlockt der Energiekonzern, sei "kein Datenschutzverstoß", das hätten die Datenschützer "bestätigt".
Pikant: Genau vor einer solchen Möglichkeit hatten Daten- und Verbraucherschützer bereits vor gut einem Jahr gewarnt. Wie NDR und SZ im September vergangenen Jahres berichteten, planten sowohl die Auskunftei Schufa als auch die Wirtschaftsauskunftei Crif Bürgel Datenbanken, um Bonushopper zu identifizieren. Beide wiesen die Vorwürfe zurück. Als die Recherche die Pläne aufdeckte, gaben sich Daten- und Verbraucherschützer allerdings sehr besorgt. Der Chef der Verbraucherzentrale Brandenburg, Christian Rumpke, sagte damals beispielsweise: "Das Sammeln und Auswerten von Daten vertragstreuer Kundinnen und Kunden entbehrt jeglicher Rechtfertigung." Datenschutzexperte Thilo Weichert befürchtete gar, dass Kunden so zu "Freiwild" würden. Und Marie Barz vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) warnte: "So ein Branchenpool könnte es Energieversorgern erleichtern, wechselwillige Kunden zu identifizieren und Vielwechsler systematisch abzulehnen."
Die Pläne der Auskunfteien wurden wenige Wochen nach der ersten Berichterstattung zum größten Teil aufgegeben. Vattenfall hingegen darf seine Datenbanken auch künftig nutzen, um wechselwillige Kunden zu identifizieren.
Als Reaktion auf den rechtswidrigen Datenabgleich haben die Datenschutzbehörde in Hamburg und der Konzern ein Verfahren aufgebaut, das es Vattenfall erlaubt, die Daten auch weiterhin abzugleichen. Voraussetzung ist nun, dass die Verbraucher vorher zustimmen müssen, ob sie ihre Daten auch hergeben wollen.
Die Krux: Lehnen die Kunden den Datenaustausch ab, gibt es keinen Bonus mehr. Stimmen sie dem Datenaustausch hingegen zu, kann Vattenfall die Bonushopper ablehnen - auch dann gibt es keinen Bonus.