US-Haushalt:Staatsbankrott 2020

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Obamas Billionen-Defizit zeigt vor allem eines: Die USA brauchen eine Generalsanierung ihres Haushalts - und zwar dringend.

Nikolaus Piper, New York

Wenn die Zahlen groß genug werden, hört das menschliche Vorstellungsvermögen auf. Auf 1,6 Billionen Dollar steigt das Defizit im Haushalt von Präsident Barack Obama in diesem Jahr. Das ist mehr als ein Zehntel der amerikanischen Wirtschaftsleistung und entspricht ungefähr dem gesamten Bruttoinlandsprodukt Mexikos. So etwas gab es in Friedenszeiten noch nie. Diese Zahlen, so erschreckend sie sein mögen, sind aber nicht das eigentliche Problem. Das enorme Defizit dieses Jahres ist zum größten Teil ein Produkt der Vergangenheit - der großen Rezession und der Ausgabenpolitik der Ära Bush.

Auf 1,6 Billionen Dollar steigt das Defizit im Haushalt von Präsident Barack Obama in diesem Jahr. (Foto: Foto: Reuters)

Gemessen an diesen Voraussetzungen hat Obama einen vernünftigen Budgetvorschlag vorgelegt: Er lässt das Defizit noch einmal moderat steigen, um die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu können, und er friert gleichzeitig die frei verfügbaren Ausgaben ein. Eine überparteiliche Kommission soll weitere Einsparvorschläge machen. Dies ist ein erster Schritt zur Haushaltskonsolidierung, aber eben nicht mehr.

Die eigentliche Aufgabe beginnt erst danach, und hier ist die Lage viel, viel ernster. Obamas Budgetvorschlag spiegelt Vergangenheit und Gegenwart der Staatsfinanzen wider, nicht aber deren Zukunft. Und von der weiß man eines: Sie wird eine gewaltige Kostenlawine bringen: Weil, ähnlich wie in Deutschland, die geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge im Laufe dieses Jahrzehnts in den Ruhestand gehen, werden die Kosten der Krankenversicherung für die Rentner ("Medicare") und der Sozialversicherung ("Social Security") dramatisch steigen. Genauer: Die beiden wichtigsten Teile des insgesamt bescheidenen US-Sozialstaats sind in absehbarer Zeit pleite.

Verhindert werden kann die Krise nur, wenn Ausgaben sinken und Steuern steigen. Doch für keines von beiden gibt es in Washington Mehrheiten. Das zentrale Problem dabei ist nicht der Präsident, es sind der Kongress und die politische Kultur in der Hauptstadt, die pragmatische Lösungen fast unmöglich machen. Konsens zwischen Demokraten und Republikanern gibt es nur in einem Punkt: Alle wollen alle Leistungen des Staates - vom Militär über die Infrastruktur bis zum Sozialen - behalten, aber niemand traut sich, die Bürger dafür zahlen zu lassen.

Das Versagen des Kongresses zeigte sich besonders bei Obamas Gesundheitsreform. Die Republikaner begründeten ihre Fundamentalopposition dagegen mit der Sorge vor Kostensteigerungen, gleichzeitig mobilisierten sie aber den Volkszorn, indem sie die Angst vor Leistungskürzungen weckten. Die Demokraten waren zwar gerne bereit, den Versicherungsschutz auf alle Amerikaner auszudehnen, sie blockierten aber alles, was nach Ausgabenbegrenzung aussah. Das Ergebnis ist ein hässliches Gesetzesmonster, das, wenn es denn überhaupt verabschiedet wird, nichts gegen die Kosteninflation bei Krankenhäusern, Ärzten und Pharmaindustrie bewirkt. Was in Washington droht, lässt sich bereits heute in Kalifornien beobachten: Dort blockierten einst die Bürger in einer Volksabstimmung höhere Steuern, während die Volksvertreter immer weiter das Geld ausgaben, das sie nicht hatten. Jetzt ist der Bundesstaat praktisch pleite.

Es gäbe durchaus Wege aus der Haushaltsmisere: Eine allgemeine Mehrwertsteuer nach europäischem Beispiel etwa, oder eine Mineralölsteuer, die alle Autofahrer trifft. Beide Abgaben wären ergiebig und hätten vermutlich sogar positive makroökonomische Auswirkungen, weil sie den Verbrauch belasten und so tendenziell das Handelsdefizit verringern würden. Aber weil derartige Vorschläge in Washington als völlig aussichtslos gelten, verlassen sie kaum einmal den Zirkel der Finanzexperten.

Auch wohlhabende Staaten können pleitegehen - das hat die Finanzkrise gezeigt. Den USA steht sicher kein Staatsbankrott in dem Sinne vor, dass die Regierung sich für zahlungsunfähig erklärt. Denkbar ist aber eine Situation gegen Ende des Jahrzehnts, die fast so schlimm wäre für Amerika - eine Mischung aus Schuldenkrise, steigenden Zinsen, Inflation und Währungsverfall. Die Welt kann nur auf eine Selbstbesinnung des Kongresses hoffen.

© SZ vom 02.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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