Umwelt:Der letzte Strohhalm

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Die EU will Plastikprodukte nur verbieten, wenn nachhaltige Alternativen vorliegen. (Foto: dpa)
  • Die EU-Kommission will einen Plan vorlegen, der es Mitgliedsländern ermöglichen soll, Einwegprodukte aus Plastik zu verbieten.
  • So sollen Kunststoffhersteller stärker in die Pflicht genommen werden und mehr für das Entsorgen des Mülls zahlen als bisher.
  • Knapp 26 Millionen Tonnen Plastikmüll fallen laut Brüssel jedes Jahr allein in Europa an.

Von Moritz Geier

Der Strohhalm hat drei Verbündete: Tetra Pak, die Gewohnheit und Scarlett Johansson. Der Verpackungshersteller Tetra Pak zum Beispiel hat sich um den Strohhalm verdient gemacht, weil man einige seiner Getränkekartons, von denen er im vergangenen Jahr rund 188 Milliarden verkauft haben soll, nur mit dem mitgelieferten Plastikhalm austrinken kann.

Als Alltagsgegenstand profitiert der Strohhalm wiederum von der Macht der Gewohnheit, denn wer denkt schon ständig an die Umwelt, wenn er genüsslich an der Cola zieht? Und Scarlett Johansson vermag es, so verführerisch an einem Strohhalm zu nippen, dass ein israelischer Trinkwassersprudler-Hersteller vor ein paar Jahren damit für seine Produkte warb. Noch mehr war es Werbung für den Strohhalm.

Den Plastiktrinkhalm allerdings werden nun auch seine Verbündete nicht mehr retten. An diesem Montag will die EU-Kommission einen Plan vorlegen, der es Mitgliedsländern ermöglichen soll, Einwegprodukte aus Plastik zu verbieten. Luftballonhalter etwa, vor allem aber das Tafelgeschirr der Schnellimbisse und Kaffeehausketten, Rührstäbchen, Plastikgabeln und Trinkhalme.

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Die Beweislage ist erdrückend: Der gesamte Abfall, der an europäischen Stränden aufgesammelt wird, besteht laut EU zur Hälfte aus Plastikprodukten, die für den einmaligen Gebrauch produziert wurden. Gegenstände also, die das Leben einfacher und bequemer machen, das Picknick im Freien, das Grillen am Meer, und danach: weg mit dem Zeug.

26 Millionen Tonnen Plastikmüll allein in Europa

Die Europäische Kommission will auch Kunststoffhersteller stärker in die Pflicht nehmen, sie sollen mehr für das Entsorgen des Mülls zahlen als bisher. Bei ihrer im Januar vorgestellten Strategie gegen die Plastikflut hatte die Kommission kürzlich auch eine umstrittene Steuer auf das Ölprodukt zur Debatte gestellt. Nun folgt ein nächster Schritt beim Versuch, die immense Umweltverschmutzung durch den fast unkaputtbaren Abfall in den Griff zu bekommen.

Knapp 26 Millionen Tonnen Plastikmüll fallen laut Brüssel jedes Jahr allein in Europa an. Weniger als 30 Prozent davon werden zur Wiederverwertung gesammelt, der Rest landet in Verbrennungsanlagen, auf Müllhalden oder in der Umwelt. Bis zu 500 000 Tonnen Plastikmüll aus der EU schlucken am Ende die Ozeane um Europa. Man muss sich das mal bildlich vorstellen: Das ist, als kippten 66 000 Müllabfuhrwagen ihre volle Ladung ins Wasser. Jahr für Jahr.

Der Strohhalm wird nun natürlich nicht aus dem Alltag verschwinden. Die EU will Plastikprodukte nur verbieten, wenn nachhaltige Alternativen vorliegen, die leicht verfügbar und bezahlbar sind. Wer einen Ersatz für den Plastikstrohhalm sucht, muss sich da nur mit seiner Geschichte befassen. Angeblich sollen schon die Sumerer in Mesopotamien vor Jahrtausenden aus Schilfrohr getrunken haben, die Strohhalme der wohlhabenderen Sumerer waren sogar aus Gold und Silber und mit Edelsteinen verziert.

Tetra Pak übrigens hat vor Kurzem angekündigt, bald Papiertrinkhalme einzuführen - wohl ein PR-Trick. Dem Plastikstrohhalm bleibt der Schweizer Konzern nämlich verbunden: Einem Bericht der Financial Times zufolge will die Firma sich bei Regierungen weiterhin für seine Verwendung einsetzen.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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