Geschenke an die Industrie sind gut für die betroffenen Unternehmen und schaden nicht automatisch dem Verbraucher. Anders verhält es sich bei den Strompreisen: Hier entstehen den kleinen Kunden sehr wohl Mehrkosten, denn sie müssen für das Geschenk an die Industrie aufkommen. Das Geschenk heißt Befreiung vom Netzentgelt. Dafür zahlen private Stromkunden und kleinere Unternehmen eine Umlage, die nun einem Bericht zufolge deutlich steigen könnte.
Konzernen, die besonders viel Energie verbrauchen, erlässt die Bundesregierung das Netzentgelt - die Gebühr, die Stromkunden für die Nutzung der Stromnetze zahlen müssen. Sie macht rund ein Fünftel des Strompreises aus. Wer kontinuierlich mehr als zehn Gigawattstunden Strom jährlich verbraucht, dem bleibt die Gebühr erspart. Finanziert wird die Vergünstigung durch eine Umlage.
In diesem Jahr profitieren laut Informationen der Frankfurter Rundschau vermutlich mehr als 200 Unternehmen von der Ausnahmeregelung. Schon jetzt wurde 178 Konzernen die Befreiung vom Netzentgelt genehmigt, berichtet die Zeitung unter Berufung auf die Bundesnetzagentur. 300 Millionen Euro waren für die Ausnahmeregelung ursprünglich eingeplant. Nun soll das Geschenk an die Industrie dem Bericht zufolge deutlich mehr kosten, weil die Netzagentur nur mit etwas mehr als hundert Unternehmen kalkuliert hatte, die befreit werden wollten.
Zahlen müssen dafür auch Privathaushalte, die nicht so viel Strom verbrauchen. Für das Jahr 2012 hat die Bundesnetzagentur die Umlage auf 0,151 Cent festgelegt. So sollen 440 Millionen Euro zusammenkommen, mit denen die Gebührenbefreiung der Industrie ausgegeglichen werden soll - zu wenig, wie sich jetzt zeigt. Schon im kommenden Jahr könnte die Umlage drastisch erhöht werden.
"Eine genaue Abschätzung der zukünftigen Umlage ist aufgrund der zahlreichen noch nicht bearbeiteten Anträge derzeit noch nicht möglich", teilte eine Sprecherin der Agentur der FR mit. Im Oktober wird die Höhe des Nutzungsentgeldes für 2013 festgelegt. In die Berechnung fließt auch ein eventuelles Defizit aus dem Jahr 2012 ein. Bei einer Erhöhung der Umlage um 150 Prozent auf 0,45 Cent pro Kilowattstunde müsste ein Vier-Personen-Haushalt etwa 18 Euro zusätzlich im Jahr zahlen, rechnet die Zeitung vor.
Die Sonderregelung wurde im Sommer 2012 von der Bundesregierung weitestgehend unbemerkt eingeführt, bei der Industrie ist der betreffende Gesetzesabschnitt als "Mitternachtsparagraf" bekannt. Bei der Opposition stößt er auf Kritik: "Die Netzentgeltbefreiung muss schleunigst abgeschafft werden. Sie ist ungerecht und sachlich nicht gerechtfertigt", sagte Bärbel Höhn, Energieexpertin der Grünen im Bundestag.