Trinkwasserschutz:Wasserversorger drängt auf scharfe Fracking-Regeln

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NRW hat große Teile des Landes für die Gasförderung Fracking freigegeben - dort, wo das Grundwasser durch den Kohlebergbau bereits stark belastet ist. Die Regierung plant ein Schutz-Gesetz, doch ein Wasserversorger macht schon mal einen Vorschlag.

Von Silvia Liebrich, München

Während die Bundesregierung das umstrittene Fracking-Gesetz auf die lange Bank schiebt, stellt die Wasserwirtschaft deutliche Forderungen. "Was wir brauchen, sind klare Vorfahrtsregeln für Trinkwasser", sagt Henning Deters, Vorstandschef von Gelsenwasser, dem größten Wasserversorger in Nordrhein-Westfalen. Er warnt nachdrücklich vor den unkalkulierbaren Risiken einer Gasförderung mit Fracking.

Deshalb will das Unternehmen der Bundesregierung nun einen eigenen Vorschlag für ein Gesetz vorlegen, das den Schutz des Trinkwassers sichern und Energiefirmen enge Grenzen setzen soll. Im Wirtschaftsministerium hieß es am Dienstag dazu, dass mit einem entsprechenden Gesetz vor der Sommerpause - entgegen bisheriger Erwartungen - nicht mehr zu rechnen sei, auch weil die Risikoabschätzung noch nicht abgeschlossen sei.

Für Gelsenwasser-Chef Deters ist die Verzögerung kein Problem. "Inhalt muss vor Geschwindigkeit gehen bei so einem heiklen Thema." Er hat genaue Vorstellungen davon, wie ein Gesetz aus Sicht der Wasserversorger aussehen sollte: Es muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorsehen und den Wasserbehörden mehr Entscheidungsbefugnisse einräumen. Zudem soll es für mehr Transparenz sorgen und Bürgern ein Mitspracherecht einräumen. All dies ist bisher für Fracking-Vorhaben nicht notwendig. Nicht nur Gelsenwasser, auch andere Wasserversorger, Mineralbrunnen, Getränkehersteller und Brauereien befürchten, dass ihre wichtigste Ressource Wasser durch diese umweltschädliche Form der Gasgewinnung Schaden nehmen könnte.

Der Vorstoß von Gelsenwasser hat durchaus handfeste Gründe, und die liegen im Untergrund von Nordrhein-Westfalen. Durch die jahrhundertelange industrielle Nutzung sowie den Kohlebergbau ist das Grundwasser im Ruhrgebiet stark belastet, unter anderem mit Schwermetallen. Mit den geplanten Fracking-Projekten seien nun die Reserven für die 5,6 Millionen Menschen gefährdet, die im Ruhrgebiet und Umgebung leben, kritisiert Deters. 80 Prozent des Bedarfs gewinnt Gelsenwasser aus Oberflächenwasser, vor allem aus dem Einzugsgebiet der Ruhr.

"Aufpassen, dass wir nicht zum Trinkwasser-Notstandsgebiet werden"

Doch ausgerechnet in diesen sensiblen Regionen wurden in den vergangenen Jahren großflächig Lizenzen für die Gasgewinnung mit Fracking erteilt. 80 Prozent des Wassereinzugsgebietes, das Gelsenwasser nutzt, sind betroffen (siehe untenstehende Grafik). "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zum Trinkwasser-Notstandsgebiet werden," warnt Deters. Bei der Gasförderung mit Fracking werden zum Teil hochgiftige Chemikalien eingesetzt, die bei Unfällen auch das Oberflächenwasser verseuchen können.

NRW hat große Teile des Landes für das Fracking freigegeben - mitten im Trinkwassereinzugsgebiet. Zum Vergrößern bitte klicken. (Foto: SZ-Grafik)

Kaum irgendwo sonst in Deutschland prallen die Interessen der Energiebranche und der Wasserversorger so hart aufeinander. Nordrhein-Westfalen hat bereits gut die Hälfte seiner Landesfläche für Fracking freigegeben. "Auch wir haben davon erst aus der Zeitung erfahren", sagt der Chef des Wasserversorgers. Doch Industrie und internationale Energiekonzerne machen Druck. Sie wollen die unangetasteten Schiefergasvorkommen des Landes ausbeuten und versprechen niedrige Energiepreise und mehr Unabhängigkeit von russischem Gas.

Nach aktueller Gesetzeslage sind solche Genehmigungen legal, weil bisher nur eigens ausgewiesene Wasserschutzgebiete weitgehend tabu sind für die Gasindustrie. Das Problem: die notwendige Erlaubnis wird von den Bergbaubehörden der Länder erteilt, "und die haben bisher wenig Spielraum, eine Genehmigung zu versagen. Das muss sich ändern", erklärt Professor Ulrich Ramsauer, der den Gesetzesvorschlag von Gelsenwasser mitausgearbeitet hat. "Dass Fracking bislang nicht stattfindet, liegt allein daran, dass es derzeit eine Art Moratorium gibt, in dem Genehmigungsanträge auf Eis gelegt sind, bis die Risiken und der zusätzliche Regelungsbedarf geklärt sind", sagt Ramsauer.

Fest steht auch, die Gasfirmen werden nicht ewig stillhalten. Ihre Lizenzen verfallen meist nach fünf Jahren. Die Bundesregierung arbeitet deshalb unter Zeitdruck an einem Gesetz, das den Einsatz des Frackings reglementieren soll. Doch das ist kompliziert, unter anderem müssen Bundesberggesetz und Wasserhaushaltsgesetz geändert werden, beides Bundesgesetze, die die Länder umsetzen müssen. Ärger ist programmiert. Fast alle Länder würden die Methode gern verbieten, bis auf Niedersachsen, das 95 Prozent der heimischen Gasmenge liefert und am stärksten vom Stillstand betroffen ist. Ursprünglich sollten die Fracking-Regeln noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Doch im Wirtschaftsministerium will man nichts übers Knie brechen. Der Schutz von Trinkwasser und Gesundheit habe absoluten Vorrang, heißt es dort.

© SZ vom 03.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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