Der Friede währte nicht lange. Fast zu Tränen gerührt verkündete die Familie Tönnies im April 2017, dass der jahrelange Streit nun beendet sei. Aus und vorbei. Robert Tönnies, Sohn des Firmengründers Bernd Tönnies, und sein Onkel Clemens zoffen sich wieder - erbitterter denn je. Das geht wohl schon ein paar Monate.
Am vergangenen Freitag hat Robert Tönnies, 41, eine Schiedsklage gegen Clemens Tönnies, 63, und dessen Sohn Maximilian eingereicht, Streitwert 600 Millionen Euro. Robert Tönnies pocht auf eine Klausel im Einigungsvertrag aus dem Jahr 2017, die vorsieht, dass der Konzern verkauft wird, falls es wieder zu Reibereien kommt. Aus Sicht von Robert Tönnies ist das wohl so. Die Verwandten sehen das anders. "Wie auch immer mein Neffe agiert und was er über Jahre hinweg schon im Sinn gehabt hat: Mein Sohn Maximilian und ich werden das Unternehmen nicht verkaufen. Wir sind hervorragend aufgestellt und sehr erfolgreich. Das ist so und das bleibt so", lässt Clemens Tönnies in einer Mitteilung wissen - und kein Wort mehr. Der Konzern aus dem westfälischen Rheda-Wiedenbrück ist der größte Vermarkter von Schweinefleisch in Europa. 2018 setzt er mit 16 500 Mitarbeitern 6,65 Milliarden Euro um. Etwa die Hälfte der Belegschaft ist nicht bei Tönnies angestellt, sondern sind Werkvertragsarbeiter. Das sei, ist zu hören, einer der Streitpunkte. Robert dränge auf ein Ende der Werkverträge. Seit der Einigung gehört die Gruppe je zur Hälfte den beiden Stämmen Tönnies.
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Wie aus der Schiedsklage hervorgeht, setzten die Reibereien schon bald nach der Einigung ein und erreichten "einen ersten Höhepunkt Anfang 2018". Die Liste der in der Klage aufgeführten Dispute ist lang. Es geht um Werkverträge, Tierwohl, Währungsgeschäfte, die, so der Vorwurf, weit über das Volumen der aus Warengeschäften resultierenden Risiken hinausgehen.
Eine "rasant fortschreitende Zerrüttung"
"Bei der Einigung haben wir für den Fall, dass es zwischen meinem Onkel und mir nicht funktioniert, einen Mechanismus der Trennung vereinbart. Von dieser Vertragsklausel möchte mein Onkel nun nichts mehr wissen", klagt Robert Tönnies in einer Mitteilung: "Ich finde, man darf zerstrittene Familienunternehmen nicht 'im Streit' lassen." Auf eine solche Trennung hätten beide Seiten damals großen Wert gelegt. Genauso wie sein Onkel sei er daran interessiert, das Unternehmen nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. "Ob ich zum Zuge komme, soll durch den Trennungsmechanismus in fairer Art und Weise ermittelt werden", so Robert.
Von einer "rasant fortschreitenden Zerrüttung" ist in der Klage die Rede. Danach kamen die Verwandten schon im November 2018 überein, einen Verkauf einzuleiten, ohne dass zuvor eine Schiedsrichter eine Zerrüttung feststellt. Sogar an einer "Umsetzungsvereinbarung" wurde gearbeitet. Dann habe Clemens Tönnies entgegen der Exitvereinbarung vor wenigen Wochen entschieden, dass die "Trennung durch einen Verkauf eines Gesellschafterstammes an den anderen erfolgen soll", wie es weiter heißt, weil mit einem "schweren Schaden" für die Tönnies-Gruppe zu rechnen sei, wenn man einem breiten Kreis von Interessenten aus der Branche und der Finanzindustrie und damit auch Lieferanten und dem Handel die Bücher des Unternehmens öffnen würde.
Die Lebensreife führe dazu, dass man Dinge relativiere und differenziere, sagte Clemens Tönnies bei der Einigung im Frühjahr 2017. Der Friede sei für die Zukunft des Familienunternehmens das Wichtigste. Und dass es keine Verlierer gebe, nur Gewinner: die Familie, die Firma, die Mitarbeiter und die Region. Geschwätz von gestern.