Seinen Amtssitz hat der 44-jährige Casper Klynge in Palo Alto, im Zentrum der Zukunftsindustrie. Kann sein Posten die Lösung sein für das Ungleichgewicht zwischen Tech-Konzernen und Politik? Die Idee scheint gut anzukommen - auch Frankreich hat nun einen Botschafter ins Silicon Valley geschickt. Wie arbeitet der Tech-Diplomat? Wie verhandelt er mit Unternehmen, die mehr wert sind als das BIP seines Heimatlandes?
SZ: Herr Klynge, gerade kommen Sie von der Technik-Messe CES zurück, was hat Ihnen am besten gefallen?
Casper Klynge: Es war etwas chaotisch, zu viele Gadgets. Der Grund für meinen Besuch war ernster. Wohin bewegt sich diese Technologie? Wie geht es weiter mit Automatisierung und Robotik, was passiert mit der künstlichen Intelligenz? Das sind Dinge, die ganz konkret unsere Arbeit als Regierung beeinträchtigen werden. Noch das kleinste Gerät dort könnte das Potenzial haben, unseren Arbeitsmarkt und unser Leben umzukrempeln. Wenn ich mich für etwas entscheiden müsste, wären das autonome Fahrzeuge. Das wird schneller kommen, als wir glauben.
Sie sind jetzt ein halbes Jahr als Cyber-Botschafter im Silicon Valley. Wie lautete die Vision für Ihren Job?
Wir wollen Technologie und Digitalisierung die gleiche Priorität wie der Außenpolitik einräumen. Der Grund ist, dass die großen Tech-Konzerne der Welt so einflussreich geworden sind, viel einflussreicher als mancher Nationalstaat. Die neuen Technologien kennen keine Grenzen, und das ist für unsere herkömmlichen internationalen Systeme eine große Herausforderung. Wir wollen der traditionellen Diplomatie ein Update geben.
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Sie nennen das "Techplomacy" - wie arbeiten Sie konkret?
Als "analoger Botschafter" habe ich zuerst Grußnoten der dänischen Königin überreicht. Wir haben ein sehr breites Mandat, das von Cybersecurity bis hin zur Exportpolitik alles abdeckt. So kann auch ein kleines Land wie Dänemark eine internationale Agenda setzen. Ich glaube fest daran, dass Technologie die großen Herausforderungen unserer Zeit lösen kann. Aber es ist auch klar, dass sie eine Teilung schaffen kann zwischen technikreichen und technikarmen Ländern. Sie verstärkt die Probleme, mit denen wir jetzt schon zu tun haben: Migration und Extremismus. Außerdem gelingt es uns, die dänische Regierung zu digitalisieren. Wir haben da eine ganze Reihe von Projekten, zum Beispiel eine Kooperation mit IBM, in der Big Data auf Flüchtlingsrouten angewendet wird, um humanitäre Hilfe zielgerichteter einzusetzen.
Vor Ihrem Einsatz im Silicon Valley waren Sie dänischer Botschafter in Indonesien. Wo mussten Sie diplomatischer vorgehen?
Der große Unterschied ist, dass die indonesische Regierung weiß, was ein Diplomat macht. Wenn ich zu deren Ministern gegangen bin, kannten sie die Spielregeln. Das ist hier anders. Wir müssen eine neue Sprache der Diplomatie schaffen. Es ist schwieriger, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Was haben wir zu bieten? Warum ist es im Interesse der Konzerne, mit uns zu sprechen? Es gilt, die Balance zu halten. Wir sagen nicht zu allem, was die Firmen machen: Halleluja, aber wir lehnen auch nicht alles automatisch ab.
Diese Balance geht uns in Deutschland eher ab. Wo ist in Ihrer Arbeit das meiste diplomatische Geschick nötig?
Manche Länder sind eher protektionistisch, andere eher aufgeschlossen. Trotzdem glaube ich, dass Europa der einzige globale Block ist, der eine Führungsrolle einnehmen kann. Wir sehen den Nutzen der Technik, aber zugleich stellen wir sicher, dass Datenschutz, ethische Grenzen für Biotechnologie oder künstliche Intelligenz nicht vergessen werden. Natürlich stellt das eine Herausforderung dar, weil die Technologien sich schnell entwickeln. Die meisten dieser Unternehmen stammen aus der westlichen Welt, wir teilen dieselben Werte. Obwohl es für beide Seiten manchmal unkomfortabel ist, brauchen wir einen gemeinsamen Weg. Die Alternative wäre bedenklich: Konzerne würden in Regionen gehen, in denen diese Werte nicht gelten. Unser Verhältnis zu den Firmen darf nicht durch Bedenken gestört werden. Gleichzeitig müssen die Unternehmen endlich ihre globale und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Wie können Regierungen auf den Wandel in der Tech-Welt reagieren?
Ich glaube, wir müssen Regieren als Wettbewerb begreifen und das Verhältnis von öffentlichem und privatem Sektor neu denken, um flexibler zu werden. Wir müssen die Unternehmen davon überzeugen, dass es nicht unbedingt in ihrem Interesse ist, Technologien in einem unregulierten Vakuum zu entwickeln. Wir brauchen ethische und moralische Grenzen.
Ihnen stehen Hunderte Tech-Lobbyisten in Washington oder Brüssel gegenüber. Fühlen Sie sich manchmal allein gelassen als Cyber-Diplomat?
Ich hätte nichts gegen mehr Kollegen. Natürlich ist es schön, dass wir als Erste einen solchen Posten geschaffen haben, aber Dänemark allein kann die digitale Welt nicht verändern.
Wie können Nationalstaaten den Unternehmen auf Augenhöhe begegnen?
Wir müssen die Macht der Konzerne anerkennen. Wenn wir den Börsenwert von Google, Apple, Facebook und Amazon nehmen, dann ist das mehr oder weniger das BIP von Frankreich, einem Land mit knapp 67 Millionen Einwohnern. Wenn man nun sieht, dass diese vier Unternehmen zusammen nur 420 000 Angestellte haben, sagt das viel aus über das Machtgefüge, in dem wir uns befinden. Wir wurden dafür kritisiert, diese Firmen auf die gleiche Ebene wie souveräne Länder zu heben. Es gibt keine Alternative. In der Diplomatie ging es schon immer darum, Außenposten in Konfliktgebieten zu schaffen. Nur so können wir uns auf die kommenden Veränderungen vorbereiten.