In dem Kinderbuch "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" von Michael Ende gibt es einen Herrn namens Tur Tur. Er ist sehr groß, deswegen fürchten sich viele vor ihm - dabei ist er in Wahrheit empathisch und hilfsbereit. Im Buch nennt Ende ihn einen "Scheinriesen". Auch in der Finanzwelt gibt es viele Scheinriesen, also Dinge, die größer wirken, als sie in Wahrheit sind.
Einer von ihnen ist der Index mit dem englischen Namen "Stoxx Europe 600". Das "Europe" steht - klar - für die europäische Ausrichtung des Index. Insgesamt 17 europäische Länder sind enthalten. Die Zahl 600 im Namen steht für die 600 Aktien, die der Index enthält. Hört sich erst mal viel an, oder?
So ganz stimmt das aber nicht: Obwohl der Index auf dem Papier tatsächlich 600 Aktien enthält, dominieren einige wenige Unternehmen. Je größer Firmen an der Börse sind, desto mehr Gewicht haben sie im Index. Zu den großen Titeln im Index gehören der Lebensmittelkonzern Nestlé, der Chip-Ausrüster ASML und die Pharmaunternehmen Novartis und Roche. "In einem kapitalgewichteten Index profitieren große Konzerne dann von regelmäßigen Investitionen in den Index", sagt Thomas Wüst von der Vermögensverwaltung Valorvest.
Auch regional ist der Stoxx Europe 600 ein Scheinriese: Osteuropa ist außer Polen gar nicht dabei, im Index sind nur Industrieländer vertreten. Neben EU-Ländern enthält der Stoxx Europe 600 wohlgemerkt auch Länder wie Großbritannien oder die Schweiz, die nicht Mitglied der Gemeinschaft sind.
Gerade für Einsteiger, die ein Investment in den europäischen Aktienmarkt suchen, sei der Index ein "gutes Basisinvestment", sagt Vermögensverwalter Wüst. Doch auf diese Basis sollten Anleger weitere Bausteine legen, um ihr Geld klug zu vermehren - und ein Klumpenrisiko zu vermeiden. Europa sollte schließlich immer nur ein Teil des eigenen Portfolios sein. Über den Stoxx Europe 600 kann daher nachdenken, wer einen weltweit gestreuten Index ergänzen will, um das Gewicht europäischer Aktien im Portfolio zu erhöhen. Wer stärker auf nachhaltige Titel setzen will, sollte den Konkurrenzindex MSCI Europe SRI anschauen.
Wollen Anleger dem Kurs des Stoxx Europe 600 folgen, können sie das mit sogenannten Exchange Traded Funds (ETFs). Hier gibt es eine große Auswahl - doch man sollte einige Dinge beachten: "Der ETF sollte nicht zu klein sein, sonst kann es sein, dass die Fondsgesellschaft ihn irgendwann schließt", sagt Wüst. Außerdem sollte der ETF die Aktien des Index wirklich kaufen und nicht die Indexrendite künstlich nachbilden. Das geht zum Beispiel mit einem ETF des Anbieters iShares (ISIN DE0002635307) oder Xtrackers (ISIN LU0328475792).