Steuerhinterziehung:Warum die Selbstanzeige nicht abgeschafft werden darf

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Szene aus einem deutschen Finanzamt: Den Ämtern fehlt das Personal, um massenhaft wegen Steuerhinterziehung zu ermitteln. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Selbstanzeige für Steuersünder kann man moralisch verwerflich finden. Und man kann deren Abschaffung fordern. Doch der Weg vom Steuertrickser zum Steuerbetrüger ist kurz - gäbe es die Selbstanzeige nicht, würden Tausende weiterhin betrügen.

Ein Kommentar von Guido Bohsem

Es war ein Anschlag auf den deutschen Verbraucher, und es traf ihn an empfindlicher Stelle. Jahrelang hatten sich die Brauer gegen ihre Kunden verschworen und im Hinterzimmer die Bierpreise abgesprochen. Das Kartellamt macht diesem Skandal ein Ende. Fünf Brauereien müssen nun Strafgelder von über 100 Millionen Euro zahlen. Der Beck's-Hersteller Anheuser-Busch Inbev wird nicht bestraft, obwohl er ebenfalls dabei war. Die Brauerei kam straffrei davon, weil sie sich dem Kartellamt als Kronzeuge zur Verfügung gestellt hatte.

Der Staat ist nicht zimperlich, wenn es um seine Einnahmen geht. Das kann jeder bestätigen, der seine Vorauszahlung ans Finanzamt mal vergessen hat. Doch kann der Staat auch überraschend großzügig sein. Hilft ihm ein Übeltäter beim Füllen der Kassen, drückt er auch gerne mal zwei Augen zu und vergibt die Tat. So ist es im Kartellrecht, und so ist es auch bei der Selbstanzeige im Steuerrecht. Und so ist es richtig.

Das kann man moralisch verwerflich finden. Man kann wohlig in den warmen Internet-Strom der Empörung über Alice Schwarzer und Uli Hoeneß tauchen und mit seinem Smartphone Petitionen zum Abschaffen der Selbstanzeige zeichnen. Man kann argumentieren, dass man es denen da oben, den reichen Säcken und fetten Bonzen, nicht durchgehen lassen will, wenn sie dem Staat nicht das gegeben haben, was dem Staat gehört.

Das sind verständliche Reaktionen auf die Berichte der vergangenen Tage und Monate. Doch sollte die aufrichtige Entrüstung nicht dazu führen, kurzsichtig zu handeln. Als Ratgeber für eine angemessene Gesetzgebung taugt dieser Gemütszustand nicht. Und an ihr zeigt sich auch die gespaltene Seelenlage der Bundesbürger, was das Thema angeht.

Trotz der Empörung, auch in Deutschland zahlt kaum jemand seine Steuern gerne - und das obwohl die Steuermoral im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch ist. Das Verhältnis der Bundesbürger zum Fiskus ist gespannt. Wäre es anders, würden sich Bücher über Steuerspartricks nicht so gut verkaufen, wären Steuerberater nicht so gefragt und knobelten Banken nicht immer wieder die raffiniertesten Tricks aus, um die Steuerlast so weit wie möglich zu minimieren. Für jedes Steuerschlupfloch, das der Gesetzgeber schließt , ersinnen die hochbezahlten Steuerjuristen der Beratungsgesellschaften in wenigen Tagen fünf neue.

Der Weg von der Steuertrickserei zur Steuerhinterziehung ist kurz und nicht besonders steinig. Gerade weil der Schritt so klein ist, haben viele Steuerhinterzieher den Eindruck, sie machten nur, was alle anderen auch machen. Dass viele ihn gehen, ist deshalb ebenso verständlich wie verwerflich. Betrug bleibt Betrug.

Die Selbstanzeige gibt den Betrügern die Möglichkeit, den Schritt in die Illegalität wieder ungeschehen zu machen. Vielleicht bereuen manche ihre Tat tatsächlich. Andere wollen an das Geld und wissen nicht wie sie es sonst anstellen sollen. Wieder andere haben Angst davor, vom Finanzamt erwischt zu werden. Wenn man sich die Zahl der Selbstanzeigen nach dem Ankauf der Steuer-CDs ansieht, könnte man auf den Gedanken kommen, Letzteres sei das wesentliche Motiv.

Wären die Steuer-CDs nicht von selbst aufgetaucht, die Finanzminister und Kämmerer hätten sie glatt erfinden müssen. Durch die Selbstanzeigen haben Bund, Länder und Gemeinden mehr Steuern eingenommen als durch die Auswertung der Steuer-CDs. Gäbe es die Selbstanzeige nicht, wären Tausende Steuerbetrüger nicht zum Finanzamt gegangen. Sie hätten nicht ausgepackt. Sie hätten nicht gezahlt. Sie hätten weiterhin darauf gehofft, nicht erwischt zu werden.

Aus gutem Grund. Trotz aller öffentlich gefeierten Fahndungserfolge können die Steuerhinterzieher einigermaßen sicher sein, auch weiterhin nicht aufzufliegen. Denn die Finanzbehörden sind personell längst nicht so gut ausgestattet, dass sie intensive und massenhafte Ermittlungen anstellen könnten. Die Steuerbetrüger würden ohne Selbstanzeige auch weiterhin betrügen. Nur würde der Staat weniger Steuern einnehmen.

Selbstverständlich darf es den Steuerhinterziehern auch nicht zu leicht gemacht werden. Zu überlegen ist deshalb, ob die finanziellen Auflagen, die eine Selbstanzeige nach sich zieht, nicht noch einmal verschärft werden sollten. Härtere finanzielle Strafen würden die Täter dort treffen, wo sie offenkundig besonders empfindlich sind. Klar muss aber auch sein, dass die Auflagen nicht so hoch sind, dass eine Selbstanzeige ohne hochprofessionelle Hilfe gar nicht mehr zu schaffen ist. Die Selbstanzeige ist vernünftig. Sie muss auch weiterhin möglich sein.

© SZ vom 06.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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