Zölle:Was der Stahl-Deal bedeutet

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Stahl wird bei Thyssenkrupp in Duisburg fertig gemacht für den Transport. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Europa und die USA setzen Zölle aus der Trump-Zeit aus. Heile Welt also? Nicht wirklich.

Von Josef Kelnberger, Brüssel/Rom

Allein die Stahlproduktion macht rund sieben Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen aus. So gesehen wirkt es vernünftig, dass die Europäische Union nun gemeinsam mit den USA eine "globale Vereinbarung über nachhaltigen Stahl und nachhaltiges Aluminium" anstrebt. In zwei Jahren soll es so weit sein. Von einem "Meilenstein" war die Rede, als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden den Plan am Rande des G-20-Gipfels in Rom vorstellten. Das klang gut vor dem Klimagipfel in Glasgow, und es klang auch gut mit Blick auf die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Europa. Denn zugleich einigten sich die beiden Seiten, ihren Streit um die US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte auszusetzen. Heile Welt also wieder in den transatlantischen Beziehungen? So weit ist es noch lange nicht.

Auch unter Präsident Joe Biden bleiben Stahl- und Aluminiumimporte eine Frage der "nationalen Sicherheit". Die von Präsident Donald Trump im Jahr 2018 in die Wege geleiteten Sonderzölle werden erst einmal nur ausgesetzt. Die EU darf laut der neuen Vereinbarung nun wieder maximal 4,4 Millionen Tonnen jährlich zollfrei in die USA exportieren, das entspricht in etwa dem Niveau vor 2018. Das Limit für Aluminium liegt bei etwa 400 000 Tonnen. Und die EU muss in Absprache mit den USA sicherstellen, dass auf dem Umweg über Europa nicht Stahl und Aluminium aus China in die USA gelangen. Die USA werfen Peking vor, die heimische Industrie zu subventionieren und mit künstlich niedrigen Preisen Umweltstandards zu missachten.

America first, und China ist der gemeinsame Gegner - diese Devise gilt auch unter Biden. Das müssen die Europäer zur Kenntnis nehmen. Sie hatten in den Verhandlungen vergeblich eine große Lösung angestrebt. Die EU wird nun im Gegenzug ihre Vergeltungszölle gegen die USA - im Fachjargon "rebalancing measures" - für Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro aussetzen. Motorräder von Harley-Davidson, Bourbon, Erdnussbutter, Jeans finden dann wieder zollfrei ihren Weg nach Europa. Weitere Vergeltungszölle für US-Importe im Wert von 3,6 Milliarden Euro hatte die EU für den Zeitraum ab 1. Juni 2021 beschlossen und dann auf 1. Dezember verschoben, um den Weg frei zu machen für Verhandlungen mit Bidens Regierung. Sie treten nun nicht in Kraft.

US-Präsident Biden zeigte sich rundherum zufrieden. Die Einigung sei ein Fortschritt im Kampf gegen den Klimawandel, zugleich sei es gelungen, die US-Industrie und die US-Arbeitnehmer zu schützen. Für Biden ist es von zentraler Bedeutung, mit dieser Vereinbarung nicht die Unterstützung im Kongress und bei den US-Gewerkschaften zu verlieren. Ersten Reaktionen zufolge scheint ihm das gelungen zu sein. "Gemeinsam können die EU und die USA die Raubtierökonomie Chinas zurückdrängen", sagte der demokratische Senator Ron Wyden, Chef des für Handelsfragen zuständigen Finanzausschusses, der Financial Times zufolge.

Was Joe Biden und Ursula von der Leyen als "Durchbruch" in den transatlantischen Beziehungen bezeichneten, wird in den Verhandlungskreisen der EU weniger euphorisch kommentiert. Gelungen sei eine "Deeskalation", man habe in dem Handelsstreit den "Pausenknopf" gedrückt. Vermutlich wird die Pause nicht länger als zwei Jahre dauern. Dann soll das große Abkommen über nachhaltigen Stahl und nachhaltiges Aluminium stehen. Wie das innerhalb von zwei Jahren gehen soll, weiß niemand so genau.

Das Abkommen soll ausdrücklich nicht beschränkt bleiben auf die USA und die Europäische Union, sondern auch anderen Nationen offenstehen. Das wird nicht einfach, denn die Produktion in den USA und Europa sei bereits "vergleichsweise clean", ist aus der EU-Kommission zu hören. Auch in Deutschland bekennen sich nach langem Zögern immer mehr Unternehmen zum "grünen Stahl". Das Ziel des Abkommens soll es nun sein, die Industrie weltweit zu dekarbonisieren und Überkapazitäten abzubauen. Man müsste sich also über gemeinsame Umweltstandards, den Abbau von wettbewerbsfeindlichen Subventionen, das Verbot von klimaschädlichen steuerlichen Regelungen einigen.

Und man müsste Wege finden, Hersteller aus Ländern mit Strafen zu belegen, die sich nicht unter dem Dach von "green steel and aluminium" versammeln - das alles konform mit den Regeln der WTO. Letztlich wird es für die Europäer wohl wieder um die Frage gehen: Wollen sie gemeinsam mit den USA in den Kampf gegen China ziehen?

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