Sparpläne bei der Lufthansa:Lernen von den Billigfliegern

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Lange hat die Lufthansa die Billig-Konkurrenten ignoriert. Bei den anstehenden Sparmaßnahmen der Kranich-Airline werden Ryanair und Co. nun zum Vorbild.

J. Flottau

Die Lufthansa will die Kosten im Europageschäft um bis zu 40 Prozent senken. Mit Hilfe einer Vielzahl von Änderungen soll das defizitäre Verkehrssegment bis 2011 wieder Gewinne liefern, erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Unternehmenskreisen. Entlassungen sind nicht geplant. Eine radikale Lösung, große Teile der Europaflüge an die noch günstigere Billigflug-Tochter Germanwings auszulagern, verfolgt der Konzern ebenfalls nicht. Offiziell äußert sich die Lufthansa nicht zu den Plänen.

Die größte deutsche Fluggesellschaft plagen seit Jahren hohe Verluste vor allem im dezentralen Geschäft. Es handelt sich dabei um Regional- und Europastrecken, die nicht die beiden Drehkreuze in Frankfurt und München berühren. Jährlich verliert der Konzern in dem Bereich einen dreistelligen Millionenbetrag. Die Verbindungen werden sowohl von Lufthansa selbst betrieben als auch von fünf Regional-Airlines, die in ihrem Auftrag kleinere Flugzeuge einsetzen.

Kleine Flieger werden ausgemustert

Eine harte Entscheidung ist schon gefallen: Bis Ende 2010 werden alle 45 50-sitzigen Regionaljets ausgemustert. Die Stückkosten der Maschinen - also die Kosten pro Sitzkilometer - sind so hoch, dass hier kein Geld mehr zu verdienen ist. Die Maschinen werden teilweise durch größere Flugzeuge ersetzt, die günstiger betrieben werden können.

Der Umbau des Europa-Geschäftes ist ein wichtiger Teil des "Climb 2011"-Kostensenkungsprogrammes, durch das der Konzern bis 2011 die jährlichen Ausgaben um eine Milliarde Euro senken will. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der neue Chef des Fluggeschäftes, Christoph Franz, der Ende 2010 Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Mayrhuber werden soll. Franz hatte die Mitarbeiter bereits kurz nach seinem Amtsantritt in einem offenen Brief auf gravierende Veränderungen vorbereitet.

"Wir werden den Anspruch nicht aufgeben, auch den Europaverkehr profitabel durchzuführen", heißt es im Konzern. Es sei eine "strategische Sackgasse", das Feld für die Billig-Fluggesellschaften zu räumen und sich nur auf die Langstrecken plus Zubringerflüge zu konzentrieren. Der Anspruch geht auch so weit, den Bereich nicht an den wesentlich günstiger fliegenden Ableger Germanwings abzugeben: "Germanwings ist nicht dafür da, die Probleme der Lufthansa zu lösen." Ein Insider will "eine Art Paradigmenwechsel" im Denken erkannt haben.

Auch auf Nebenstrecken größere Jets

Lufthansa sei mittlerweile bereit, sich einige Prinzipien der Billig-Airlines zueigen zu machen. Vielleicht das wichtigste: Künftig sollen auch auf Nebenstrecken größere Jets eingesetzt werden. Die zusätzlichen Sitze will Lufthansa zur Not über den (günstigeren) Preis absetzen.

Bislang bestand die Planung im Wesentlichen darin, dass die Fluggesellschaft die Flugzeuggröße an die Nachfrage anpasste und versuchte, die Preise möglichst hoch zu halten. Doch diese Strategie muss als gescheitert gelten, hat sie doch Konkurrenten wie Air Berlin und Easyjet erlaubt, Teile des deutschen Marktes ohne großen Widerstand zu erobern.

Mehr Arbeit für das Personal

Die Lufthansa will offenbar keine Mitarbeiter entlassen, das fliegende Personal muss sich jedoch auf mehr Arbeit für das gleiche Geld einstellen. Dies ist zum Teil sogar ohne Verhandlungen mit den Gewerkschaften möglich. So ist bislang ein Teil der Europa-Flotte in der aufkommensschwachen Mittagszeit einfach am Boden geblieben, und mit den Flugzeugen auch die Piloten und Flugbegleiter. Die Boeing 737-Flotte kommt derzeit pro Tag nur auf etwa 7,5 Blockstunden (die Zeit von Gate zu Gate) - Billig-Konkurrenten schaffen hingegen locker zwölf oder 13 Stunden. Sie können also mit viel weniger Maschinen das gleiche Programm absolvieren.

Künftig sollen die Lufthansa-Jets den ganzen Tag möglichst produktiv eingesetzt werden. Die nötigen Passagiere sollen über günstige Preise angelockt werden. Das deutlich gesteigerte Volumen soll den niedrigeren Umsatz pro Sitz überkompensieren.

Sparplänen gelten als sehr ehrgeizig

Kritiker werfen Lufthansa vor, viel zu spät zu reagieren. "Air Berlin hätte niemals so groß werden können, wenn Lufthansa sich früher gewehrt hätte", so ein langjähriger Beobachter. Das Ziel, die Kosten um 40 Prozent zu senken, gilt angesichts der lange etablierten Konzernstrukturen als sehr ehrgeizig.

Doch selbst damit würde das Geschäftsfeld immer noch teurer produzieren als Germanwings oder Easyjet. Die Lufthansa glaubt aber, wegen des besseren Produktes weiter höhere Preise als die Billig-Konkurrenten verlangen zu können.

Auf große Änderungen werden sich auch die Regional-Airlines Lufthansa CityLine, Eurowings, Air Dolomiti, Augsburg Airways und Contact Air einstellen müssen: Ihre Flotten sollen vereinfacht werden, ebenso die Standortstruktur. Im Konzern wird durchgerechnet, wie die Partnerfirmen regional besser verteilt werden können, um Doppelungen zu vermeiden. Auch könnten Abteilungen wie die Wartung zusammengelegt werden.

© SZ vom 19.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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