Die Zahl der eingeleiteten Straf- und Bußgeldverfahren gegen Hartz-IV-Empfänger ist im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent auf knapp 165.000 Fälle gestiegen. Dies geht aus der Jahresbilanz der Bundesagentur für Arbeit (BA) über den Leistungsmissbrauch im Hartz-IV-System hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Dabei geht es meist um falsche Angaben von Langzeitarbeitslosen gegenüber den Jobcentern und Arbeitsgemeinschaften (Argen) mit dem Ziel, höhere Leistungen zu kassieren, als ihnen eigentlich zustehen.
Ertappt wurden zudem deutlich mehr potentielle Schwarzarbeiter. Aus der Jahresbilanz geht hervor, dass von den gut 126.000 erledigten Verfahren 39.000 Fälle wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit an die zuständige Zollverwaltung weitergegeben wurden. 2008 waren es noch etwa 36.500 gewesen. Zunehmend mehr Akten von Hilfebedürftigen landen danach auch bei den Strafverfolgungsbehörden. Bei knapp 13.000 Personen "wurde der Fall mit einem begründeten Straftatbestand an die Staatsanwaltschaft abgegeben", heißt es in dem Bericht. Dies entspricht einem Zuwachs von 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Insgesamt hatten 2009 im Jahresdurchschnitt etwa 6,5 Millionen Menschen nach dem Sozialgesetzbuch II Anspruch auf die Grundsicherung (Hartz IV). Bezogen auf diese Gesamtzahl lag die Missbrauchsquote nach Angaben der Bundesagentur bei lediglich bei 1,9 Prozent. Darunter fallen Ordnungswidrigkeiten, also geringfügige Verletzungen von Rechtsregeln, für die das Gesetz eine Geldbuße vorsieht.
Enttarnung per Datenabgleich
Das eingetriebene Verwarnungs- und Bußgeld, über das die Jobcenter selbst entscheiden können, belief sich bei etwa 74.000 Fällen auf 3,7 Millionen Euro. Ein Leistungsmissbrauch liegt zum Beispiel vor, wenn ein Bezieher von Arbeitslosengeld II grob fahrlässig unrichtig oder unvollständige Angaben über seine Nebeneinkommen oder Vermögen macht und dadurch höhere Sozialleistungen als vorgesehen erhält. Geschieht dies mit Vorsatz, wird der Hartz-IV-Empfänger wegen Betrugs angezeigt.
Sozialbetrüger werden meist durch den automatisierten Datenabgleich enttarnt. Dabei werden vierteljährlich die persönlichen Daten von Leistungsempfängern mit denen anderer Behörden oder etwa aus Freistellungsaufträgen bei Banken abgeglichen. So lasse sich ermitteln, "ob Kunden neben der Grundsicherungsleistung weitere nicht gemeldete Einkünfte beziehen oder über Vermögen verfügen, das auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen ist", heißt es in dem Bericht der BA. Durch den Datenabgleich wird auch erfasst, wie viel die Grundsicherungsstellen etwa aufgrund von falschen Angaben der Hilfebedürftigen zu viel ausbezahlt haben. Danach ergab sich in 137.000 Fällen eine Überzahlung mit einem Volumen von etwa 72 Millionen Euro. Diese Geld wird von den Hartz-IV-Empfängern zurückgefordert.
Die BA warnt aber davor, die Missbrauchszahlen überzubewerten. In der Bilanz heißt es: Leistungsmissbrauch sei "in Relation zu der Anzahl der Hilfebedürftigen und den Gesamtausgaben relativ gering verbreitet". Der Bericht listet allerdings nur nachweisbaren Fälle auf. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen. Eine Sprecherin räumte ein, dass es hier eine Dunkelziffer gebe. "Über deren Höhe gibt es keine verlässlichen Daten", sagte sie der SZ.