Arbeitsmarkt:Unser Hartz soll schöner werden

Gesucht: ein Synonym für den Makel. Ministerin Ursula von der Leyen fahndet nach einer positiven Vokabel für Hartz IV. Der Namensgeber hat bereits resigniert.

Tobias Dorfer

Ein jeder hat sein Päckchen zu tragen. Im Fall des Industriemanagers Peter Hartz sind es sogar zwei schwere Pakete, die wie Blei auf seinen Schultern lasten - und die ihn Zeit seines Lebens nicht mehr loslassen werden. Der eine Fall, die Betriebsrats-Affäre bei Volkswagen, ist mit einer Bewährungsstrafe und der Zahlung von 576.000 Euro - zumindest juristisch - abgegolten.

Hartz IV, Foto: dpa

Gesucht - ein Synonym für den Makel: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen fahndet nach einem neuen Begriff für Hartz IV.

(Foto: Foto: dpa)

Bei der Arbeitsmarktreform, die seinen Namen trägt, dürfte der Makel noch schwerer zu entfernen sein.

Kein Begriff hat die Republik in den vergangenen Jahren so in Aufruhr versetzt, kein Name wurde derart mit Verarmung und sozialem Abstieg gleichgesetzt, wie das Regelwerk, das die nach dem ehemaligen VW-Personalvorstand benannte Kommission im Sommer 2002 vorstellte.

Noch immer treffen sich Woche für Woche die Hartz-IV-Kritiker zum Gemeinschaftsprotest, in Gelsenkirchen wird an diesem Montag die 278. Auflage der Montagsdemonstration stattfinden. Unzählige Interessenverbände, Blogs und Foren beschäftigen sich mit den Folgen der Reform, 6,15 Millionen Treffer listet alleine die Suchmaschine Google für den Begriff Hartz auf.

Der Begriff hat sich festgefressen in Deutschland. Ursula von der Leyen, kürzlich inthronisierte Bundesarbeitsministerin, unternimmt nun einen ebenso wagemutigen wie halbherzigen Vorstoß, die ungeliebte Vokabel aus der Welt zu schaffen. "Eine Umbenennung sei unvermeidlich", sagte die CDU-Frau in der Sendung Bericht aus Berlin. Sprach's - und legte die Verantwortung sofort wieder zu den Akten. Denn die neue Begrifflichkeit dürfe nicht von oben verordnet werden, "sondern das muss sich entwickeln".

Im Sprachgebrauch verankert

Entwickelt hat sich in den vergangenen Jahren in der Tat einiges - es ging nur in eine völlig andere Richtung. Was im März 2002 so harmlos mit der Gründung der Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" unter dem Vorsitz des damals als "Wundermann von St. Ingbert" betitelten VW-Managers Peter Hartz begann, ist heute ein Brandmal geworden. In Berlin-Neukölln, so berichtet Stadtteil-Bürgermeister Heinz Buschkowsky, würden Jugendliche - nach ihrer Zukunftsplanung befragt - resigniert erwidern: "Ich werde Hartzer."

Aus dem Sprachgebrauch ist das Wort nicht mehr wegzudenken. Hartz IV wurde mit dem Titel "Wort des Jahres 2004" versehen - gewählt von der Gesellschaft für deutsche Sprache. Der Langenscheidt-Verlag erhob "hartzen" (arbeitslos sein, rumhängen) sogar zum Jugendwort des Jahres 2009 - noch vor den Vokabeln "bam" (cool, endgeil) oder "Bankster".

Dabei lag dem Vorhaben ursprünglich ein wohlgemeinter Plan zugrunde. Mit den Hartz-Reformen sollten Millionen Arbeitslose eine neue Chance bekommen. Mehr Zeitarbeit, Selbständigkeit, Ich-AG, Förderung - so wollte die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Am Ende wurde ein Makel für 6,5 Millionen Menschen daraus.

Der Regelsatz für einen Alleinstehenden beträgt 359 Euro monatlich, dazu kommen diverse Zusatzleistungen. Es gibt viele Menschen, die gegen die Regelung zu Felde ziehen, die den Regelsatz für zu gering halten, denen das "fördern" zu schwach und das "fordern" zu stark ausgeprägt ist. Und immer wieder wird auf Plakaten, in Bundestagsreden und in Pressemitteilungen von Verbänden ein Name genannt: der von Peter Hartz.

Befremdeter Namensgeber

Der ehemalige VW-Vorstand hat diesen Negativ-Hype stets mit Befremden zur Kenntnis genommen. Die Ergebnisse seiner Kommission seien verwässert worden, klagte er schon 2004: "Sie tragen meinen Namen, aber nicht überall, wo Hartz draufsteht, ist auch Hartz drin." Noch deutlicher wurde Peter Hartz in dem Interviewbuch Macht und Ohnmacht, in dem er sich Fragen der Journalistin Inge Kloepfer (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) stellte. Weil die Politik nicht so wollte, wie Hartz es wollte, sei er zum "Buhmann der Nation" geworden.

Dass er dieses Brandmal einmal verlieren könnte, daran glaubt der Manager nicht einmal selbst: "Hartz IV, dieses den Menschen so verhasste Gesetz, ist unverrückbar mit meiner Person verbunden. Da können sich die Politiker noch so sehr um eine Umbenennung bemühen."

Ursula von der Leyen sei gewarnt: Das Zitat stammt aus dem Jahr 2007.

Jetzt sind Sie gefragt: Helfen Sie der Arbeitsministerin und nennen Sie uns Ihre Positiv-Vokabel für Hartz IV hier!

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