Soziale Medien für Erwerbslose:"Die Linkliste der Bundesagentur für Arbeit ist veraltet"

Lesezeit: 2 min

Hilft es Arbeitslosen, wenn sie Facebook nutzen und vermittelt die Bundesagentur für Arbeit die richtigen Inhalte in ihren Internet-Kursen? Die Soziologin Anne Suphan hat das untersucht.

Von Mirjam Hauck

Anne Suphan ist Soziologin und forscht an der Uni Hohenheim zu Chancen und Risiken mobiler und digitaler Arbeit. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit der Nutzungsrealität von sozialen Medien für Erwerbslose ( hier als PDF).

SZ.de: Sie haben dazu geforscht, ob soziale Medien nützlich für Erwerbslose sind. Wie sind Sie auf diese Fragestellung gekommen?

Anne Suphan: Erwerbslosen fehlt es oft an sozialen Kontakten. Und soziale Netzwerke wie Facebook dienen ja dazu, Kontakte aufzubauen. Sie ermöglichen soziale Anerkennung und auch einen gewissen sozialen Status. Zudem geben sie in Ihrer regelmäßigen Nutzung auch eine gewisse Zeitstruktur vor. Das sind alles Faktoren, die Erwerbstätige durch ihr Arbeitsleben haben, Arbeitslose aber nicht.

Hilft es Arbeitslosen, wenn sie soziale Medien nutzen?

Zunächst geben die sozialen Medien dem Arbeitslosen eine emotionale Unterstützung. Aber tatsächlich helfen sie nicht. Die Betroffenen fühlen sich auch in der Online-Welt ausgeschlossen, weil sie eben doch nicht mithalten können. So können eben keine Bilder vom Sommerurlaub oder von vielen Partys posten.

In sozialen Medien geht es sehr viel um "Impression Management", also darum sich möglichst vorteilhaft darzustellen. Damit sind häufig finanzielle Aufwendungen verbunden. Ein weiterer Faktor ist, dass es in Deutschland einfach eine geringe Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen gibt. Das heißt, das engere soziale Umfeld hat meist einen Job. Diese Nutzer können sich positiv darstellen. In anderen europäischen Ländern ist aber der erwerbslose Digital Native eher der traurige Regelfall. Da kann Social-Media-Nutzung das Leben durchaus strukturieren.

Ist es nicht erst einmal wichtig, dass die Betroffenen überhaupt Zugang zum Internet haben?

Ja, unbedingt. Gerade auch für die Stellensuche. Die große Mehrheit der Jobs wird heute online ausgeschrieben. Aber immer noch gibt es viele Erwerbslose, die das Internet überhaupt nicht nutzen. Das sind vor allem die über 55-Jährigen. Von den jüngeren sind die meisten online, aber das heißt nicht, dass sie wissen, wie man online nach Stellen sucht.

Auch die Bundesagentur für Arbeit ist hier nicht immer eine Hilfe. Ihre Liste "Wo finde ich Stellen im Netz" ist veraltet. Und in den Bewerbungskursen lernen die Leute vor allem, wie man eine Bewerbung in Word schreibt. Das ist zwar wichtig, aber sie lernen kaum die Strategien und Kompetenzen die es braucht, um die offenen Stellen zu finden und beispielsweise Online-Formulare auszufüllen oder sich ein Profil in einem sozialen Netzwerk wie Xing zu erstellen.

Was muss sich tun, um das zu ändern?

Man muss an die Bildungsträger herangehen, die diese Kurse veranstalten. Auch bei den Jobcenter-Mitarbeitern gibt es oft die Befürchtung, dass dies viel Mehraufwand bedeute. Zudem haben viele Erwerbslose Ängste und glauben nicht an die eigenen Kompetenzen. Es bedarf daher umfassender, ganzheitlich konzipierter Maßnahmen - für alle Anspruchsseiten.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: