Smartphones und Tablets:Wie der iPad-Effekt Hewlett-Packard zum Angsthasen machte

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Markt voller Unruhe: In der neuen Welt der Tablets und Smartphones heißt der Zweikampf Google gegen Apple. Hewlett-Packard hätte als weltgrößter PC-Hersteller der dritte große Rivale werden können - doch der Computerbauer kneift und vergibt damit eine wichtige Chance.

Varinia Bernau

Der Riese gibt auf. Wenige Wochen erst ist es her, dass Hewlett-Packard, der größte Computerhersteller der Welt, seine Wunderwaffe gegen Apple in die Läden brachte: Ein flacher Rechner, ganz leicht zu bedienen. Es ist eines jener Geräte, auf denen die Hoffnung einer ganzen Branche ruht, seit Steve Jobs sein Spielzeug namens iPad präsentierte.

Hewlett-Packard-Großrechner: Der weltgrößte Computer-Hersteller will sich scheinbar von seinem PC-Geschäft trennen und stattdessen Milliarden in den Kauf eines britischen Software-Spezialisten stecken. (Foto: dpa)

Um es mit Apple aufzunehmen, hatte sich HP im vorigen Jahr eines der besten mobilen Betriebssysteme gesichert: 1,2 Milliarden Dollar bezahlte der etablierte Computerbauer für den Handy-Pionier Palm und dessen Know-how in Sachen Software. Nun aber gibt's die Rolle rückwärts: HP rangiert seine Tablets und Smartphones wieder aus. Hektisch, ja hilflos wirkt der Großkonzern. Und ziemlich feige.

Die Leute wollen keine sperrigen Computer mehr. Sie wollen Geräte, die auch unterwegs alles erledigen und nebenbei noch als Statussymbol taugen. HP-Chef Léo Apotheker nennt diesen Wandel den "Tablet-Effekt". Sein Pech ist, dass es sich in Wahrheit um den "iPad-Effekt" handelt.

30 Millionen solcher Geräte hat Apple verkauft, seit der Konzern das Wunderding vor eineinhalb Jahren vorstellte. Dieser Erfolg straft Apotheker Lügen: Er zeigt, dass Computerbauer nicht nur im Büro, sondern auch in privaten Haushalten reüssieren und verdienen können. Aber sie müssen etwas bieten. Und sie müssen sich auf Marketing verstehen. Apple hat diese Lektionen gelernt, HP nicht. Deshalb bleiben von dem, was Kunden für Geräte mit dem angebissenen Apfel zahlen, 30 Prozent bei Apple. Aber bei HP bleiben im Vergleich nur fünf Prozent.

Nachzügler müssen billiger sein

Die Crux ist, dass erfolgreiche Konzepte wie die von Apple nicht über Nacht zu erreichen sind. Außerdem ist die Klientel in der iPad-Welt, Gutverdiener aus der westlichen Welt, zu klein, als dass auch Nachzügler noch daran verdienen könnten.

Für Nachzügler und Kopisten bleibt nur ein Argument: Sie müssen es billiger machen. Oder man hat so viel Geld wie Google und ist von einem Sendungsbewusstsein geprägt, dass Grenzen fallen.Das neue Zauberwort in der Welt des Internetkonzerns heißt Android.

Das ist das eigene mobile Betriebssystem, das überall eingesetzt werden soll, in Tablets und Smartphones. Es ist eine Plattform, die für Entwickler offen ist und sich so stetig verbessert, anders als dies in der geschlossenen Apple-Welt möglich ist. Google hat diese Technologie jedem Hersteller geschenkt, der hektisch hinter Apples Produktepark hinterherhechelte.

Das war ein radikaler Schritt - und Google konnte ihn nur gehen, weil der Konzern seine Milliarden anderswo verdient: Mit Werbung im Internet. Doch nichts ist für die Ewigkeit. Längst ist auch der Jäger zum Gejagten geworden. Neue Internetfirmen wollen etwas abhaben vom großen Geschäft mit Anzeigen im Netz. Und die etablierten Softwarehäuser verteidigen ihr Revier.

Mit Patentklagen überziehen sie Google. In vielen Gerichtssälen führen sie ihren Kampf. Die Botschaft ist immer dieselbe: Wo gibt es denn so etwas, dass da jemand etwas verschenkt, wofür wir hohe Lizenzgebühren kassieren wollen?

Wie wirkungsvoll diese Drohgebärden sind, hat sich Anfang dieser Woche gezeigt. Um den Patentklagen etwas entgegen zu halten, krallte sich Google das Schatzkästchen von Motorola: 12,5 Milliarden Dollar gegen Tausende Patente. Der Deal zeigt die Hektik und Hilflosigkeit der Branche: Keiner hier vertraut noch auf ein gutes Miteinander.

Die strikte Trennung zwischen Software und Hardware, der Glaube, dass sich jeder auf das beschränkt, was er beherrscht, das alles ist vorbei. Es gilt jetzt: Konfrontation statt Kooperation. Der Größte setzt sich durch - und wird dem Verbraucher dann seine Bedingungen diktieren.

HP hatte Chancen

Dabei standen die Chancen von HP, sein mobiles Betriebssystem WebOS zu etablieren, so gut wie nie: Es wird in der Technologie-Szene geschätzt. HP hätte die Plattform für freie Entwickler öffnen und auch jenen Geräteherstellern anbieten können, die sich nach Googles Schulterschluss mit Motorola vor den Kopf gestoßen fühlen.

Vielleicht hätte das mehr Vertrauen geschaffen in der verunsicherten Branche. Vielleicht wäre dabei eine echte Alternative zur Übermacht von Apple und Google entstanden. Vielleicht hätte das HP sogar neue Erlöse gebracht.

Doch der Computerbauer hat weder Mut, noch Geduld. Das Werben um den Verbraucher ist HP zu mühsam. Er wendet sich lieber den Geschäftskunden zu. Betriebe und Behörden sind nicht so launisch, sie schließen Verträge über höhere Summen und längere Laufzeiten ab. Auf aggressivere Rivalen allerdings wird HP auch dort treffen.

© SZ vom 20.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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