Sexismus:Die Werbeindustrie muss ihre Macht besser nutzen

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Die Werbeindustrie hat einen enormen Einfluss auf die Rollenbilder in der Gesellschaft. Den sollte sie besser nutzen. (Foto: picture alliance / dpa)

Meist wird nur mit Klischees und veralteten Rollenbildern geworben. Dabei wäre es ganz einfach, die Welt so zu zeigen, wie sie wirklich ist.

Kommentar von Nakissa Salavati

"Was hat Feminismus mit meinen Titten zu tun?" Das fragte neulich die britische Schauspielerin Emma Watson, als ihr vorgeworfen wurde, eine echte Kämpferin für Frauenrechte (und dafür ist Watson bekannt) zeige sich nicht mit entblößtem Oberkörper. Grund für die Aufregung war eine Fotostrecke im Modemagazin Vanity Fair. Watson trug ein bisschen Häkelmasche um nackte Schultern und halb nackte Brüste. Nippel waren gar nicht erst zu sehen, da hätten Watsons Kritiker wahrscheinlich völlig hyperventiliert. Und jetzt auch das noch: In Deutschland, dem Paradies für FKK-Freunde, stören sich immer mehr Menschen an zu viel Haut in der Werbung. Besonders häufig bekam der deutsche Werberat 2016 von empörten Menschen zu hören, Kampagnen seien sexistisch.

Ist die Welt endgültig prüde, bieder, spießig geworden? Ja, ist sie. Gut für die Gleichberechtigung ist das nicht.

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Watsons Fotostrecke und der kritisierten Werbung. Watson ist reflektiert und drückt sich als Frau so aus, wie sie es will. Sie ist sexy, gut so! Sie ist schön, noch besser! Das gefällt doch jedem, der für Ästhetik zu haben ist, egal ob Mann oder Frau. Und warum sollte die Darstellung selbstbestimmter Nacktheit Zielen wie Freiheit und Gleichberechtigung widersprechen? Das ist jene gefährliche Einstellung, anständig sei ein Mädchen nur dann, wenn es sich ordentlich anziehe.

Die Werbeindustrie wiederum hat tatsächlich ein Nacktheitsproblem. Zeigt eine Kampagne entblößte Haut, dann nicht, weil sie Freiheitsliebe feiert, sondern weil sie Rollenbilder bedient. Die der immer glatt rasierten Liebhaberin etwa. Gleichzeitig scheut sie direkte Nacktheit wie eine stillende Frau - da geht es ja nicht um Sexyness! Dieser einfache Klischeekatalog, nach dem die Branche zu arbeiten scheint, trifft natürlich gleichermaßen die Darstellung des Mannes.

Darstellung und Realität beeinflussen sich gegenseitig

Der deutsche Werberat, dem Vertreter der Branche angehören, hat im vergangenen Jahr ein paar klare Fälle gerügt: Wenn eine Frau auf einer Bratwurst reitet, ist das auch dem Kontrollgremium zu platt. Viele Beschwerden aber hat es als unbegründet abgewiesen und zwar mit dem Argument, dass Kritiker "wirklichkeitsnahe" Maßstäbe anlegen sollten. Wenn also eine liebende Mutter und Hausfrau in monogamer Beziehung gezeigt wird, dann, weil die Gesellschaft dieses Modell lebt.

Das ist zwar ein Argument, aber ein schwaches: Schließlich existieren viele unterschiedliche Wirklichkeiten und die Werbeindustrie stellt bequemerweise jene dar, die besonders oder vermeintlich massentauglich sind. Meint sie es ernst, muss sich die Industrie auch die Frage gefallen lassen, warum etwa kaum türkischstämmige Deutsche in der Werbung vorkommen. Sie gehören doch zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, oder? Darstellung und Realität beeinflussen sich gegenseitig. Die Industrie hat die Macht, die Gesellschaft an bestimmte Rollenbilder zu gewöhnen, sie zu festigen oder infrage zu stellen.

Es ist gut, dass sie diesen Einfluss hat und sie nutzt ihn bereits für sich. Der Konzern Unilever wirbt für die Pflegemarke Dove mit vielen Körperformen. Kampagnen wie für das Macho-Deo Axe, dem im Clip (fast nackte) Frauen verfallen sind, wolle man abschaffen, versicherte Unilever 2016. Und neulich veröffentlichte das Modehaus Kenzo einen Werbeclip, der radikal modern wirkt. Darin tanzt eine Frau so enthemmt, als habe sie den Blick der Gesellschaft nicht zu fürchten. Als könne sie sein, wer sie will.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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