Bankenregulierung:Schweiz bietet ihr Bankenrecht zum Export an

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Ein hohes Eigenkapitalpolster steigere das Vertrauen in die Sicherheit einer Bank, sagt Bundesrätin Karin Keller-Sutter. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Schweizer Finanzministerin wirbt in Washington für die Pläne zur Kontrolle der Megabank UBS. Auch in Berlin wird sie die Lehren aus der jüngsten Krise vorstellen.

Von Fabian Fellmann, Washington

Ein neues Schweizer Produkt stößt international auf Interesse, auch in Deutschland: der 22-Punkte-Plan der Schweizer Regierung zur Zähmung der verbleibenden Megabank UBS. "Meine Kollegen sind sehr interessiert an den Maßnahmen, die wir entwickelt haben", sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter am Freitag in Washington. In der US-Hauptstadt unterhielt sie sich bei der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds mit einer ganzen Reihe von Amtskollegen darüber.

Im Juni wird sie in Berlin erwartet, bei Bundesfinanzminister Christian Lindner, um den "Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität" zu besprechen. Das 339 Seiten starke Papier hatte Bern vor einer Woche vorgelegt, eine Reaktion auf den Niedergang der Schweizer Großbank Credit Suisse, der auf den weltweiten Finanzmärkten hohe Wellen schlug, bis die Behörden die Übernahme durch die Konkurrentin UBS erzwangen.

Der Bericht enthält einen Plan für den Bankenplatz Schweiz, der verhindern soll, dass der Staat übergroße Finanzinstitute retten muss. Unter anderem sollen fehlbare Manager zur Verantwortung gezogen werden und Boni zurückzahlen müssen; im Fall der Credit Suisse gelang dies nicht. Zudem soll die Finanzmarktaufsichtsbehörde schärfere Instrumente erhalten, die Banken sollen deutlich mehr Eigenkapital und flüssige Mittel bereitstellen, und falls das alles nicht fruchtet, soll ein glaubwürdiger Rechtsrahmen die Abwicklung systemrelevanter Banken ermöglichen. Welche dieser Maßnahmen die Schweizer Regierung weiterverfolgen will, gedenkt sie im Frühling 2025 festzulegen.

Das Berner Papier könne "eine Blaupause sein" für nötige Reformen in anderen Ländern, sagte Keller-Sutter in einem Interview, das der US-Wirtschaftssender CNBC ausstrahlte. Die Finanzminister anderer Länder "sehen auch Lücken in ihrer eigenen Regulierung", sagte die Bundesrätin, die der wirtschaftsliberalen Partei FDP angehört. "Es ist enorm wichtig, dass wir nun alle sehr ernsthaft die Restrisiken betrachten." Explizit nannte Keller-Sutter die Bail-in-Regeln, die Beteiligung von Aktionären und Eigentümern von Anleihen an den finanziellen Verlusten, falls eine Großbank von den Behörden liquidiert werden müsste. Diese seien nun auf internationaler Ebene anzupassen, unter Führung des Financial Stability Board, eines Gremiums der G 20.

Eine große Frage über große Banken: Wie können Institute wie die UBS gut reguliert werden? (Foto: Aly Song/REUTERS)

Die Schweizer Finanzministerin wies in Washington Kritik aus den USA zurück. Martin Gruenberg, Chef der Einlagensicherung FDIC, hatte die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS jüngst als "nicht hilfreich" bezeichnet, weil damit einmal mehr die Abwicklung einer Großbank verhindert worden sei und der Testfall für den gesetzlichen Rahmen noch immer auf sich warten lasse. Keller-Sutter erwiderte, sie habe bei ihren Gesprächen nur Zustimmung zum Vorgehen der Schweiz im Fall Credit Suisse erhalten. Gruenbergs Kommentar warf aber ein Schlaglicht auf die Mühen von Politik und Regulatoren, der Finanzbranche glaubhaft zu versichern, dass die Behörden eine systemrelevante Bank im Notfall wirklich abwickeln anstatt mit Staatsgeld retten würden.

Die Schweizer Finanzministerin gestand im Interview mit CNBC ein, auch ein verbessertes Regelwerk stelle keine Garantie dar, dass der Staat nie mehr einer Bank zu Hilfe eilen muss. "Es ist wichtig, dass wir jetzt die richtigen Maßnahmen umsetzen, obwohl man nicht jede Krise verhindern kann", sagte Keller-Sutter. "Nach einer Krise wertet man sie aus, man ergreift Maßnahmen. Und bei der nächsten Krise merkt man, dass sich eine solche nicht wirklich an unsere Regeln hält."

Mit der geplanten Verschärfung der Vorschriften geht die Schweizer Regierung auch ein Wagnis ein. Sie bürdet der verbleibenden Schweizer Großbank UBS höhere Kosten auf; diese dürfte 15 bis 25 Milliarden Franken mehr Kapital aufbauen müssen. Konkurrenten wie London oder Singapur könnten versucht sein, dies zur Schwächung des Schweizer Finanzplatzes zu nutzen, indem sie ihre eigenen Regulierungen nicht verschärfen - zum Nachteil der internationalen Finanzstabilität. Untätig kann die Schweizer Regierung aber ohnehin nicht bleiben: Die Bilanzsumme der UBS ist mit 1,7 Billionen Dollar inzwischen doppelt so groß wie die jährliche Schweizer Wirtschaftsleistung, ein Segen, wenn alles gut läuft, ein Fluch, falls die Bank dereinst in Schieflage geraten sollte. Im Gespräch mit der SZ argumentierte Keller-Sutter, ein hohes Eigenkapitalpolster steigere das Vertrauen in die Sicherheit einer Bank.

Besorgt zeigte sich die Bundesrätin über die konjunkturelle Entwicklung in Europa, obwohl der Internationale Währungsfonds eben erst seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft verbessert hat. Der Kontinent leide wirtschaftlich unter der sehr schwierigen geopolitischen Lage. Und die Nachbarländer der Schweiz hätten nach der Finanzkrise ihre Hausaufgaben vernachlässigt, sagte Keller-Sutter zu CNBC: "Die Zinsen waren tief, und viele europäische Länder machten keine strukturellen Veränderungen."

Jetzt, da bedeutende Ausgaben für die Verteidigung nötig sind, und die Zinsen steigen, verursache die hohe Staatsverschuldung höhere Kosten. Diese stelle zunehmend ein Risiko für die Stabilität des gesamten Finanzsystems dar, sorgte sich die Schweizerin. Sie hat eine geringe Staatsverschuldung zu verwalten, dank einer rigorosen Schuldenbremse - vor der Finanzkrise von 2008 ebenfalls ein Exportschlager der Schweiz, der inzwischen international nicht mehr ganz so hoch im Kurs ist.

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